Die heimliche Braut
nichts. Ich brauche Frieden in meinem Haus.”
“Selbstredend!”, bestätigte Lord Chesleigh. “Nach Euren Jahren des Kampfes wollt Ihr den wohlverdienten Reichtum genießen. Und ich bin davon überzeugt, dass Ihr Euch den nicht durch häuslichen Hader verderben lassen möchtet. Joscelind ist durchaus fähig, einen Hausstand zu leiten, Mylord. Sie wird die Dienerschaft gehörig kurz halten und Eure Börsenschnüre desgleichen.”
“Er tut gerade so, als wolle ein Mann einen zweiten Burgvogt zur Frau!”, spottete Percival hinter ihm. “Könnt Ihr Euch vorstellen, dass Sir Nicholas sein Weib um Geld bittet?” Er wechselte in eine spöttische Falsettstimme. “Ich bitte Euch, meine Teuerste – gebt Ihr mir ein paar Pennys, damit ich mit meinen Freunden zechen kann.”
“Er will aber auch keine, die gerade den Kinderschuhen entwachsen ist”, konterte Lord Chesleigh mit zusammengebissenen Zähnen. “Auf jeden Fall braucht er eine, welche den Haushalt im Griff hat, ohne bei jeder Kleinigkeit erst um Erlaubnis bitten zu müssen.”
“Mich dünkt, das wäre der einzige Vorteil einer Ehe mit einer Älteren”, frotzelte Percival mit boshaftem Unterton, als wäre Joscelind eine steinalte Vettel und keine junge Dame, auch wenn sie zugegebenermaßen bereits etwas über das übliche Heiratsalter hinaus war.
Lady Riona, so vermutete Nicholas, war zwar sogar noch älter als Joscelind, aber als “alt” betrachtete er sie gleichwohl nicht. Und was die Tüchtigkeit anbetraf: Alles, was er seit ihrer Ankunft auf Dunkeathe gesehen hatte, deutete darauf hin, dass es ihr daran bestimmt nicht mangelte. Wenn das Gesinde sie bediente, benahmen sich alle stets freundlich, aber respektvoll, und man las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Er hatte zufällig gehört, wie die Magd mit dem Muttermal auf dem Busen, an deren Namen er sich nie erinnern konnte, einer anderen von Vorschlägen berichtete, welche Lady Riona hinsichtlich der Lagerung der Tischtücher gemacht hatte. Aus dem Gespräch ging deutlich hervor, dass die beiden Mägde beeindruckt waren. Selbst einige der angelsächsischen Wachen, im Allgemeinen nicht die Manierlichsten, verneigten sich und legten, wenn die schottische Lady vorbeikam, grüßend die Speerspitze an den Helm.
“Mir als Mann wären Jugend und Schönheit bei einer Braut am liebsten”, verkündete Sir Percival. “Die Weisheit gesellt sich schon bald genug dazu.”
“Manche erreichen den Stand der Weisheit nie”, grummelte Lord Chesleigh, den Blick geradeaus gerichtet.
“War diese Bemerkung etwa auf mich gemünzt?”, begehrte Percival auf.
Vielleicht, so dachte sich Nicholas insgeheim, war es doch keine gute Idee gewesen, diese Jagd vorzuschlagen. Im Burgsaal nämlich konnten die Herren sich zumindest mit Schach oder Glücksspiel die Zeit vertreiben. Außerdem sorgte die Anwesenheit der Damen dafür, dass die Streithammel sich von ihrer besten Seite zeigten.
In diesem Moment erklangen zwei Jagdhornsignale nacheinander.
“Ein Hirsch!”, rief Percival und hieb seinem Ross die gespornten Fersen in die Flanken.
Auch wenn ihm das Jagen nicht sonderlich zusagte – die Aussicht auf eine Hatz brachte Nicholas’ Blut heftig in Wallung, und da Percivals Pferd in Galopp überging, gab auch Nicholas seinem Hengst die Sporen.
Als sie zu den Treibern gelangten, wiesen diese aufgeregt auf eine Senke in einer von Farn überwucherten Heide. “Dorthin, Herr!”, schrien sie über das Jaulen und Kläffen der Meute hinweg, die bereits auf den Rand der Vertiefung lospreschte. “Er steckt in der Mulde dort drüben! Ein kapitaler Bursche!”
Da brach der Hirsch auch schon aus der Deckung heraus und setzte in riesigen Sprüngen über den offenen, steinigen Grund, auf den Fersen die Hundemeute, ein schemenhaftes Gewimmel aus Braun und Schwarz. Über Stock und Stein ging die wilde Jagd, hin zu einer felsigen Schlucht, die sich verjüngte und schließlich vor einer steilen Felswand endete, wo ein schmaler Wasserfall ein Bächlein speiste. In die Enge getrieben, stellte der Schaufler sich und nahm die Hunde an sowie auch die Jäger, welche unter Führung von Nicholas und Percival der Meute folgten.
Die meisterhaft abgerichteten Jagdhunde rissen das Tier jedoch nicht, sondern verharrten knurrend und geduckt an Ort und Stelle, einige fast auf den Bäuchen kriechend in gespannter Erwartung eines Pfiffes der Jäger.
Majestätisch und kraftvoll stand der Hirsch da, bewegungslos bis auf das Zittern der Flanken.
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