Die heimliche Braut
Mac Gordon die gesamte Dienerschaft mit der Mär von einem Jagdunfall, die sich um einen Hund, einen Dolch sowie einen Stiefel drehte. Man mochte ja über den mitteilsamen Schotten sagen, was man wollte: Amüsant war er allemal, und er erheiterte die Nachhut schon seit dem Abmarsch aus der Burg.
“Und Joscelinds Großmutter mütterlicherseits”, so leierte Chesleigh derweilen weiter, “war die Tochter des Herzogs von Bridgewater und daher mit dem König höchstpersönlich blutsverwandt.”
“Nur leider unehelich geboren!”, warf Sir Percival ein, des Vortrags von Lord Chesleigh offenbar ebenso überdrüssig wie Nicholas.
Die gesamten letzten drei Tage waren die Männer wegen Regen und Nebel auf Dunkeathe quasi eingesperrt gewesen. Als es endlich an diesem Morgen aufklarte, hatte Nicholas prompt einen Jagdausflug vorgeschlagen, obwohl das Waidwerk an sich nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen zählte. Seine Jugend hatte ihm wenig Zeit zu solcherlei Lustbarkeiten gelassen, und er wurde auch nach wie vor das Gefühl nicht los, dass es wichtigere Tätigkeiten gäbe. Dennoch lag ihm sehr an einem Ausritt, ebenso wie den übrigen Männern, die seine Einladung sofort angenommen hatten. Die weiblichen Gäste, vertreten durch Lady Joscelind, verweigerten sich allerdings, da ihnen der Boden zu aufgeweicht war.
Das bedauerte Nicholas keineswegs, denn auf Dauer war es anstrengend, sich stets möglichst liebenswert gegenüber der Weiblichkeit zu verhalten, ohne eine der Damen in dem Gefühl zu wiegen, sie stünde besonders hoch in seiner Gunst.
Als er den Jagdausflug vorschlug, hatte Lady Riona den Saal bereits verlassen, und er konnte sich denken, warum: Sie wollte vermeiden, in seiner Nähe zu sein – was ihm nur recht war, denn er seinerseits konnte es sich ebenso wenig leisten, ihr nahe zu sein. So verlockend es sich auch ausnahm: Die Nichte eines Thanes zu verführen, zumal ohne das Risiko einer Zwangsheirat, würde zweifellos beträchtliche Ressentiments auf Seiten der Schotten anheizen. Demzufolge gedachte er, Lady Riona nach Möglichkeit aus dem Wege zu gehen. Er hätte sie ja umgehend an dem Tag nach jenem denkwürdigen Kuss heimgeschickt, aber er wollte nicht das Risiko eingehen, den Unmut der Schotten auf sich zu ziehen.
“War Lady Joscelinds Großmutter nicht die Melkerin des Herzogs, Lord Chesleigh?”, erkundigte sich Sir Percival.
Stirnrunzelnd drehte der Angesprochene sich im Sattel um und musterte den Fragenden mit kalten und zornigen Augen. “Auch Wilhelm der Eroberer war ein Bastard. Das beweist nur, dass blaues Blut sich irgendwann durchsetzt.”
“Oh, ganz gewiss!”, erwiderte Sir Percival mit spöttischem Lächeln. “Zum Glück sind die Meinen nicht mit einem solchen Makel behaftet.”
“Wollt Ihr etwa meine Familie beleidigen?”, entrüstete Chesleigh sich.
“Nicht allesamt”, beschwichtigte Percival, während sein Hengst nervös zu tänzeln begann, “sondern nur die Mutter Eurer Frau Gemahlin.”
Nicholas drängte seinen Wallach zwischen die Streithähne, ehe sie sich zum Duell fordern konnten. “Ich bitte Euch, ehrenwerte Herren! So schwer es mir auch fallen mag – ich werde meine Wahl allein nach den persönlichen Vorzügen und Verdiensten der Damen selbst treffen.”
“Hört, hört!”, quäkte Sir George, wobei er sich mit der behandschuhten Rechten über die Lippen fuhr, da er gerade einen ordentlichen Schluck Wein aus dem mitgeführten Ziegenbalg genommen hatte. “So Ihr auf Verdienste aus seid, Mylord, kann Euch nichts Besseres widerfahren als Eloise. Ein braves Mädchen, fürwahr! Zwar nicht die Lebhafteste, doch wen verlangt es schon nach einem temperamentvollen Weibe? Das führt doch nur zu Ungemach!” Anzüglich zwinkerte er mit den Augen. “Eins lasst Euch von mir sagen: Ein Frauenzimmer mit Temperament mag ja nächtens durchaus ergötzlich sein. Bei Tage aber bedeutet es Ärger, Ärger und nochmals Ärger.”
Nicholas, der bei diesem Geplänkel an ein ganz bestimmtes kühnes, temperamentvolles Frauenzimmer dachte, neigte zu der Annahme, solche Nächte seien wahrscheinlich Entschädigung genug. Jener Kuss …
Er befahl sich, nicht daran zu denken.
“Ja, der Apfel fällt meist nicht weit vom Stamm”, stichelte Lord Chesleigh leise, so dass Sir George es nicht mitbekam. “Soweit ich weiß, waren die Auseinandersetzungen zwischen ihm und seiner besseren Hälfte legendär!”
Nicholas hieb in dieselbe Kerbe. “An einem zänkischen Hausdrachen liegt mir
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