Die heimliche Braut
dem Versuch, ein Thema anzuschneiden, welches vielleicht die Mauer des ängstlichen Schweigens zu durchbrechen vermochte. “Sie ist doch hoffentlich nicht unpässlich?”
Endlich sah ihm Eleanor direkt in die Augen. “Heute Nachmittag ging es ihr noch recht gut.”
“Der schottische Thane scheint sehr von ihr angetan.”
Hätte es sich um einen anderen Edelmann gehandelt, so hätte Nicholas den Mann unlauterer Absichten von jener Art verdächtigt, auf die Riona angespielt hatte. Irgendwie aber schien es ihm unangebracht, dem leutseligen kleinen Schotten solcherlei Motive zu unterstellen. Dennoch: Vollends ausgeschlossen war es keineswegs, und als Gastgeber hatte er pflichtgemäß dafür Sorge zu tragen, dass niemand mit seinen Gästen und deren Dienerschaft Schindluder trieb. “Er kommt mir nicht vor wie einer, der leichtfertig mit den Gefühlen einer Dame spielt, nur …”
Eleanor trat auf den Saum ihres Gewandes und wäre beinahe gestolpert. Er hielt ihr helfend die Hand hin, und bei dieser Geste schaute sie ihn mit einem Blick an, in welchem regelrecht Panik lag. “Wie mir Fredella versichert, hat er ihr gegenüber stets nur den allerhöchsten Respekt bewiesen.”
Warum reagierte sie wohl dermaßen verängstigt? Er drückte doch bloß seine Sorge um ihre Zofe aus! “Verzeiht, dass ich Euch erschreckte, Mylady. Wenn Ihr überzeugt seid, dass sie nicht in Gefahr ist, dann bin ich beruhigt”, betonte er mit einem Lächeln. Schließlich wollte er ihr keine Angst einjagen. “Ich dulde nur nicht, dass Damen in meiner Burg ausgenutzt werden.”
“Ihr … Ihr habt mich nicht erschreckt”, stammelte sie, wobei ihr Blick nervös zu ihrem Cousin zuckte, der sie beobachtete wie ein Kerkerschließer.
Durchaus möglich, dachte Nicholas, dass sie sich weniger vor dir als vor diesem Percival fürchtet! “Behandelt Euer Cousin Euch anständig, Mylady?” Ihr Schweigen war Antwort genug. “Vielleicht sollte ich einmal ein Wörtchen mit ihm reden!”
Panisch hob sie den Blick. “Nein, nein, Mylord”, stieß sie hastig hervor. “Das tut nicht Not. Ich bitte Euch inständig, sagt ihm nichts!”
Er musterte ihr Gesicht, als der Tanz sie einige Schritte auseinander zwang. Als sie wieder zusammen waren, senkte er seine Stimme zu einem Raunen. “Ist Percival etwa handgreiflich geworden?”
Sie wich seinem Blick aus. “Nur ein Mal. Als er betrunken war.”
“Ein Mal zu viel”, knurrte Nicholas, dessen Abneigung gegen den Schönling zunahm. “An Frauen vergreifen sich bloß die größten Jammergestalten! Ich werde ihn mir doch vorknöpfen!”
“Nein. Bitte, Mylord!”, wimmerte sie mit Tränen in den Augen. “Dann wird er wütend auf mich. Wollt Ihr mir wirklich helfen, so lächelt und tut so, als fändet Ihr an mir Gefallen!”
Dieser Lump von Percival musste sie wohl unter Druck gesetzt haben! Damit sie nichts unversucht ließ, um die Gunst des Gastgebers zu erringen. Kein Wunder, dass sie immer so eingeschüchtert wirkte!
Nicholas lächelte zögernd, wenngleich ihm ganz und gar nicht danach war. “Wenn ich das also richtig verstehe, neigt Euer Cousin zur Gewalttätigkeit, wenn er trinkt!”
Mit einem gleichermaßen geheuchelten Lächeln auf den Lippen nickte Eleanor bejahend.
“Hat er im betrunkenen Zustand auch schon einmal andere Personen angegriffen?”
Dem Tanz folgend, mussten sie sich abermals trennen. Während Eleanor sich von ihm fortbewegte, nahm ihre Miene einen höchst sonderbaren Ausdruck an, so als wolle sie ihm unbedingt etwas mitteilen, traute sich aber nicht.
Nicholas’ Ungeduld wuchs, bis der Reigen sie wieder zusammenführte. “Was hat er gemacht?”
Sie blickte hinüber zu ihrem Cousin.
“Beachtet ihn nicht!”, zischte Nicholas unterdrückt. “Ich verspreche Euch, dass er nie erfahren wird, wie ich Kenntnis erhielt.”
Das machte es ihr offenbar leichter. “Heute war er im Dorf. In der Schenke! Als er zur Burg zurückgehen wollte, da traf er auf Lady Riona, und er … er …”
Nicholas war, als habe er einen Tritt in den Leib bekommen.
“Ihr ist zum Glück nichts Schlimmes geschehen”, beeilte sich Eleanor hinzuzufügen.
Der Tanz ging zu Ende – und für Nicholas keinen Augenblick zu früh.
Nachdem er seiner Tanzpartnerin gedankt hatte, eilte er zum Saaltor, um nach Riona zu suchen. Sollte der eitle Fant es gewagt haben, ihr zu nahe zu treten, sollte sie auch nur den geringsten Schaden davongetragen haben – Percival würde sich wünschen, er hätte niemals
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