Die heimliche Braut
Anwesenden noch ganz aufgekratzt waren von der Jagd. Robert saß zwischen Lady Priscilla und Audric, und ihnen direkt gegenüber Sir George sowie eine ziemlich ungehalten dreinschauende Lady Eloise.
Zwar war die Zofe Fredella nirgends zu sehen, doch Lady Eleanor selbst saß noch im Saal, allerdings mit ziemlich blassem Gesicht. Möglicherweise neigte sie zum Kränkeln – ein weiteres Argument, falls er Percival eröffnen musste, dass sie als Braut nicht infrage kam. Vorausgesetzt, eine solche Erklärung wurde überhaupt notwendig!
Nicholas winkte die Magd, die gerade am nächsten war, zu sich heran. Es war Polly, die nun doch ihren Thomas ehelichen sollte. Um die Heirat zu beschleunigen, hatte Nicholas ihr eine kleine Mitgift in Aussicht gestellt, für welche sie dermaßen dankbar war, dass sie, als Nicholas es ihr mitteilte, beinahe in Ohnmacht sank. “Bestelle dem Burgvogt, dass ich ihn zu sprechen wünsche. Und die Tische sollen beiseite geräumt werden!”
Sie nickte und eilte davon, um den Auftrag auszuführen.
“Hübsches Weibsbild”, bemerkte Lord Chesleigh.
“Verlobt mit meinem Oberschäfer!”, stellte Nicholas fest. Sein warnender Unterton war unüberhörbar.
“Das weiß ich bereits von meiner Tochter. Ihr habt der Kleinen eine Mitgift gegeben, wie man hört?”
Nicholas musterte den Edelmann fragend, obgleich es ihn eigentlich nicht verwundern durfte, dass die Nachricht sich so schnell verbreitet hatte. Ob Lady Riona wohl auch bereits informiert war? Vielleicht würde das ihren Zorn ein wenig besänftigen!
“Nicht, dass man’s Euch verübeln könnte, Mylord”, fuhr Lord Chesleigh mit einem anzüglichen, wissenden Lächeln fort. “Sie wirkt recht, äh … unterhaltsam!”
“Ich vergnüge mich nicht mit meinem Gesinde!”
Beim barschen Ton seines Gastgebers wurde Chesleigh rot. “Ich wollte Euch nicht zu nahe treten. Doch werdet Ihr einräumen, dass die Mitgift vermuten lässt …”
“Diese Mitgift war ein Geschenk, um sie zur Heirat zu bewegen, damit sie meine Burg verlässt! Damit sie nicht von Männern verführt wird, die man eigentlich für gescheiter halten sollte!”
Lord Chesleighs Gesicht verfinsterte sich. “Worauf wollt Ihr hinaus?”
Mit zusammengebissenen Zähnen rief Nicholas sich Einfluss und Reichtum des Kerls in Erinnerung. “Dass diese Jungfer eine hübsche, schwache und törichte Maid ist, der man im Nu den Kopf verdrehen kann. Ich bin keinesfalls erpicht darauf, jemanden zu meinem Gesinde zu zählen, der mir möglicherweise Ärger bereitet.”
“Ah, verstehe!”, betonte Lord Chesleigh, bereits merklich entspannt. “Sehr klug, Mylord. Sehr klug!”
Nicholas glaubte nicht einen Moment, dass der Bursche dies ehrlich meinte. Vermutlich zählte er zu jenem Schlag von Adeligen, die man in dem Glauben erzogen hatte, Knechte und Mägde seien ihre rechtmäßigen Leibeigenen und hätten ihnen zur Verfügung zu stehen, wann immer und wo immer ihnen danach war.
Inzwischen kam Robert zum Herrentisch geeilt. “Mylord?”
“Man wünscht zu tanzen, Robert. Verständige die Musikanten!”
“Sofort, Mylord!”
Er wandte sich zum Gehen, doch Nicholas konnte der Versuchung, ihn zurückzurufen, nicht widerstehen. “Wie ich sehe, befindet sich der schottische Thane nicht im Saal.”
“Richtig. Meines Wissens begab er sich ins Dorf und ist bislang nicht zurückgekehrt.”
Lord Chesleigh gluckste mokant. “Offenbar um der zweifachen Verlockung der Schenke teilhaftig zu werden.”
Genau in diesem Moment hob Sir George trunken seinen Kelch und verlangte lauthals nach mehr Wein. Unmerklich zuckte Robert mit den Schultern und eilte davon, um die Musikanten zu holen, die man bis zum Erntefest angeworben hatte.
“Es will mir scheinen, Mylord”, warf Nicholas ein, “dass ebendiese Anfechtungen so manchen Mann heimsuchen, wo immer er auch geboren und aufgewachsen sein mag.”
“Die arme Mutter von Lady Eloise, sie verrichtete immerfort nur ihre Gebete”, versetzte Chesleigh, wobei er mit dem Kopf auf Sir George wies. “Als Gemahlin eines solchen Säufers hatte sie gewiss allen Grund, um Hilfe zu bitten und um Geduld und Rat.”
“Wir alle sollten um diese Dinge beten.”
Mit dieser Antwort hatte Lord Chesleigh offensichtlich nicht gerechnet. “Nun ja, natürlich … obwohl nicht zu übersehen ist, dass Gott so manchen auch mit anderem belohnt!” Dabei vollführte er eine Handbewegung, welche den Burgsaal umfasste.
Aus Rücksicht auf den Rang des Edelmannes am
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