Die heimliche Braut
das eigentlich so recht nach seinem Geschmack sein müsste. Mal sehen, ob ich recht behalte.”
Sein Kastellan schmunzelte zunächst erleichtert, wurde aber gleich wieder sachlich. “Ich kann nur hoffen, dass Lady Rionas Onkel die Fähigkeiten seiner Nichte nicht überschätzt.”
Den Eindruck hatte Nicholas nicht, erst recht nicht angesichts des guten Verhältnisses, welches Riona zum Gesinde und sogar zu den Burgsoldaten pflegte. In mancher Hinsicht erinnerte sie ihn an Sir Leonhard, bei dem er im Anschluss an den Bruch mit dem brutalen Schinder Yves in die Ritterlehre gegangen war. Ein Zecher und Zotenreißer vor dem Herrn, erzählte Sir Leonhard den ihm anvertrauten Schildknappen gern tolldreiste Geschichten, aber trotzdem vergaß keiner, wer der Lehrherr war und wer der Lehrling.
Zuweilen aber verteilte der Meister auch Lob. Nicholas konnte sich an einen besonders verregneten Tag erinnern. Durchfroren, durchnässt und hundeelend, hatte er bereits fast alle Hoffnung aufgegeben, dass er jemals den Umgang mit der Lanze lernen würde. Sir Leonhard hatte ihn beiseite genommen und ihm gesagt, er werde zwar vermutlich nie so gut wie mancher andere – eine Bemerkung, die ihn gewaltig gefuchst hatte –, mache aber dennoch jeden Tag Fortschritte.
“Du darfst nicht erwarten, dass du in allem der Beste wirst”, hatte Sir Leonhard gemahnt. “Gib dich damit zufrieden, wenn du’s mit einer einzigen Waffe bist und die übrigen einigermaßen angemessen beherrschst. Deine Stärke liegt im Führen der Klinge, nicht in der Lanzentechnik oder der Handhabung des Morgensterns. Bei dir reicht es, wenn du den Gegner zu Boden zwingst, wo du dein Schwert einsetzen kannst.” Dabei hatte er, was selten genug vorkam, hintertrieben gelächelt. “Pass aber auf, dass dein Widersacher dir nicht zuvor den Garaus macht!”
In diesem Moment flog die Tür zur Kemenate auf. Herein trat ein sehr ungehaltener Lord Chesleigh, gefolgt von einem ergrimmten Sir Percival und einem nicht weniger erzürnten D’Anglevoix. Den Schluss bildete Audric, obwohl der nicht gar so wütend wirkte wie seine Begleiter, dafür aber umso verwirrter.
“Stimmt das, Mylord?”, polterte Chesleigh gleich los, als er stehen blieb, die Hände in die Hüften gestemmt und den Kastellan keines Blickes würdigend. “Habt Ihr diese … dieses Schottenweib … diese Fiona oder Rianne oder wie sie heißt … habt Ihr die als Herrin über Euer Gesinde eingesetzt?”
Wie es die Form gebot, hatte Nicholas sich erhoben, jedoch auf eine Weise, bei der Lady Joscelinds Vater eigentlich sofort hätte begreifen müssen: Einem, der derart ungestüm in seine Privatgemächer stürmte, würde der Burgherr wohl kaum das geneigte Ohr leihen. Robert hatte sich derweil in einen Winkel verdrückt.
“Lady Riona führt vorübergehend die Aufsicht über meine Küche”, gab Nicholas gelassen zurück und kam um den Tisch herum.
“Was denn – müssen wir jetzt etwa diesen ekligen Brei essen, den die Schotten aus Hafer zusammenrühren?”, fragte D’Anglevoix in seiner spröden aristokratischen Art. “Allmächtiger! Absolut abscheulich, das Zeug!”
Chesleigh strafte seinen Nachbarn mit einem angewiderten Blick. “Wir sind nicht wegen des Essens hier!”, blaffte er ihn an. “Mylord! Muss ich dem entnehmen, dass Ihr Eure Wahl bezüglich der Braut getroffen habt?”
“Genau!”, schnarrte auch Percival, offenbar alles andere als begeistert. “Habt Ihr Euch entschieden?”
“Keineswegs!”, betonte Nicholas. “Lady Riona hatte eine Auseinandersetzung mit meinem Küchenmeister über die Behandlung des Personals – mit dem Resultat, dass der Koch die Burg verließ. Ich benötigte jemanden, der die Aufsicht über die Küche übernimmt. Bis auf weiteres wird dies Lady Riona sein. Danach kommen die anderen Damen an die Reihe.”
Jetzt war Audric nicht mehr der Einzige, der entgeistert starrte.
“Ich bitte zu verstehen, werte Herren”, erklärte Nicholas, “ich brauche eine Frau, die meinen Haushalt führen kann. Und diese Probezeit erlaubt es mir, die Fertigkeiten meiner Zukünftigen auf diesem Gebiete zu beurteilen.”
Lord Chesleighs Augen leuchteten auf, wohingegen Percivals Gesicht sich verdüsterte. D’Anglevoix rümpfte verächtlich die Hakennase, als wäre das alles unter der Würde seiner zweiten Cousine, und Audric schien sehr besorgt.
“Erhebt jemand Einwände?”, erkundigte sich Nicholas. “Falls das der Fall ist und Ihr nicht möchtet, dass Eure Damen meine
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