Die heimliche Gemahlin
„Ich dachte nur, es ist bestimmt kein Zufall, dass ausgerechnet du nach seinem Kumpan Pryce suchst. Das wollte ich Crouch mitteilen. Bestimmt hätte er mich gut dafür bezahlt. Insbesondere, wenn ich ihm deine Gattin liefere und dich so zu ihm locke.“
Helenas Herz begann wild zu pochen. Hatte Wallace ihre Verbindung zu Juliet durchschaut? „Sie sagten eben: ausgerechnet du? Was soll das bedeuten?“ fragte sie entsetzt.
Wallace sah sie an. „Na, weil Ihr Gatte doch früher einer von Jolly Rogers Leuten war.“
Ihr Magen krampfte sich zusammen. Also hatte Daniel sie belogen? Nach all seinen Versprechungen?
„Halt jetzt den Mund“, donnerte Daniel und drückte den Stiefel tief in Wallace’ Brust. Damit bewies er nur zu deutlich, dass der Kerl die Wahrheit gesagt hatte.
Mit Tränen in den Augen trat sie einen Schritt vor. „Schluss! Ich will alles hören!“
„Helena begann Daniel.
„Ich habe ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren. Immerhin ist Crouch der Entführer ...“ Sie verstummte und blickte Wallace fest in die Augen. „Erzähl mir von meinem Gemahl und Jolly Roger Crouch. Daniel war in dieser Beziehung immer recht zurückhaltend.“ Vielleicht hatte sie den Mann ja doch lediglich missverstanden. Oh, wenn es doch nur so war!
Wallace schaute von ihr zu Daniel. „Dann muss er erst seinen Fuß von meiner Brust nehmen. Sonst erfahren Sie gar nichts.“
„Daniel“, flüsterte sie sanft. „Der Kerl liegt gefesselt da, und du hältst ihn mit der Pistole in Schach. Er wird wohl kaum fliehen können.“
Traurig guckte Daniel sie an. Endlich nahm er fluchend den Fuß von Wallace. Der Mann setzte sich aufrecht hin, während Daniel ihn weiter mit der Pistole bedrohte.
„Gut, nun sagen Sie mir, was Sie wissen“, bat sie.
„Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Früher im Krieg hatte die Zollbehörde alle Hände voll zu tun und nicht genügend Leute. Damals war das Schmuggelgeschäft eine wahre Freude. Und Jolly Roger war der König der Schmuggler. Zweihundert Mann gehörten zu seiner Bande.“
„Aber was hat Daniel damit zu tun? Wie lange arbeitete er für Jolly Roger?“
Er warf Daniel einen feindseligen Blick zu. „Über acht Jahre, soviel ich weiß. Man behauptet, er habe sich der Bande angeschlossen, als er gerade einmal neun war. Deshalb nannten ihn ja auch alle Danny-Boy, weil er so jung war.“
Lieber Himmel, natürlich! Danny-Boy. Deshalb hasste er diesen Kosenamen derart. So hatte ihn auch das Flittchen an jenem Morgen im St. Giles genannt. Und er selbst hatte ihr erzählt, er sei in Sussex aufgewachsen. Ebendort befand sich der Schlupfwinkel von Crouchs Bande. Daran hatte sie damals nicht gedacht!
„Obwohl er noch jung war“, fügte Wallace hinzu, „war Danny schlauer als mancher erwachsene Mann. Deshalb machte Crouch ihn zu seiner rechten Hand. Konnte ausgezeichnet rechnen, der Kleine. Hat Jolly Rogers Gewinn verdreifacht in den Jahren.“
Seine rechte Hand ? Es verschlug ihr den Atem. Das war ja noch viel schlimmer, als sie ohnehin befürchtet hatte. Sie war nicht nur belogen worden, sondern der Kerl hatte sie bewusst in die Irre geführt und darüber im Unklaren gelassen, wie wichtig er für Crouch gewesen war. „Es stimmt, nicht wahr, Daniel?“ fragte sie anklagend. Ihr Schmerz verwandelte sich nun in Wut.
Wenigstens besaß er genügend Anstand, um eine schuldbewusste Miene aufzusetzen. „Ja.“ Als ihre Blicke einander trafen, wirkte er allerdings angriffslustig. „Ich habe nie etwas anderes behauptet, als dass ich ein Schmuggler war. Nur du wolltest unbedingt glauben, ich wäre lediglich ein kleiner Laufbursche für die wirklichen Verbrecher gewesen.“
Das stimmte zwar, war aber nur geschehen, weil er seine Erzählungen ihren Vorstellungen angepasst hatte - ganz, wie vor einigen Tagen bei der Wirtin. Was für ein geschickter Lügner der Schuft war! „Du wusstest genau, dass ich einem Irrtum erlegen war, hast aber nicht im Traum daran gedacht, mich darüber aufzuklären!“
Statt zu antworten, wandte er den Kopf ab und sah wieder zu Wallace hinüber, dem das Schauspiel ausgezeichnet zu gefallen schien, das sich ihm hier bot.
„Hast deiner Gattin wohl nichts von deinen Abenteuern mit Crouch erzählt, was?“ Wallace grinste hämisch. „Sie wäre wohl kaum so scharf darauf gewesen, dich zu heiraten, wenn sie es geahnt hätte. Und ihr Herr Papa hätte dagegen sicher auch etwas einzuwenden gehabt!“
„Halt’s Maul!“ brüllte Daniel und starrte ihn
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