Die heimliche Gemahlin
tragen.“
Unsicher betrachtete sie den Revolver in ihrer Hand und hätte ihn vor Schreck beinahe fallen lassen. Schon wieder eine Pistole! Nur war diese weit größer und beeindruckender als die von Mr. Wallace. Und noch dazu bestimmt geladen! Lieber Himmel, sie würde doch nie im Leben von einer Waffe Gebrauch machen! „Du nimmst doch wohl nicht an, dass wir noch einmal in die Verlegenheit geraten, uns verteidigen zu müssen?“
„Wallace war nicht allein im Rose and Crown. Keine Ahnung, weshalb nur er uns gefolgt ist. Trotzdem bin ich kaum geneigt, in aller Gemütsruhe hier zu warten und herauszufinden, ob nicht doch noch einer seiner Kumpane auftaucht.“
Als Wallace sich bewegte, visierte sie ihn mit der Waffe an und wäre fast in hysterisches Gekicher ausgebrochen. Ob es wohl genaue Regeln dafür gab, wie man einen Herren gesellschaftlich korrekt mit einer Waffe bedrohte? Wieder ein Lebensbereich, den Mrs. Nunley sträflich vernachlässigt hatte! Wies man den Gentleman im Allgemeinen darauf hin, dass er jeden Augenblick aus dieser Welt scheiden konnte? Himmel, was tat die wohlerzogene junge Dame nur im vorliegenden Fall?
Glücklicherweise musste sie die verschiedenen Möglichkeiten nicht allzu lange überdenken. Daniel hatte dem Mann in Windeseile die Füße gefesselt. Wallace, der nun aus seiner Ohnmacht erwachte, versuchte, sich zu befreien, doch es war zwecklos. Im Schlingen von Knoten war Daniel ein Meister.
Nach vollendeter Arbeit drehte er den Schuft auf den Rücken und setzte ihm den Stiefel auf die Brust. „Wo sind deine Freunde?“
Wütend starrte Wallace ihn an. „Fahr zur Hölle!“ „Tatsächlich stehen meine diesbezüglichen Chancen ausgezeichnet, nur leider wird es bis dahin noch eine Weile dauern. Aber wir können uns bis dann ja hübsch die Zeit vertreiben ..." Er verlagerte das Gewicht auf Wallace’ Brust. „Wo stecken deine Männer?“
„Müssen jeden Augenblick hier auftauchen“, presste Wallace hervor.
„Dann wollen wir keine kostbaren Minuten mit Geplauder verschwenden.“ Auffordernd streckte Daniel die Hand aus, wandte den Blick aber nicht von Wallace ab. „Gib mir die Pistole, Süße. Am besten machen wir diesem Schuft den Garaus, bevor er uns noch mehr Schwierigkeiten bereitet.“
„Daniel!“ protestierte sie, entsetzt über diese Rohheit. Aber ein düsterer Blick von ihm genügte. Unverzüglich reichte sie ihm die Waffe. Er spannte den Hahn und zielte damit auf Wallace.
„Halt!“ kreischte der voller Furcht. „Meine Männer sind ...in Sedlescombe.“
„Schon besser.“ Daniel nickte und sicherte die Pistole wieder, worauf sein Widersacher erleichtert aufseufzte.
„Wenn ich nicht bald zu ihnen stoße, werden sie herkommen und nach mir suchen“, warnte Wallace.
„Warum sind Sie überhaupt allein unterwegs?“ wollte nun Helena wissen.
Wallace wich ihrem Blick aus und schwieg.
„Antworte der Dame gefälligst.“ Daniel versetzte ihm einen Stoß mit der Stiefelspitze.
„Das reicht jetzt, Daniel“, mischte sich Helena ein. „Bestimmt ist Mr. Wallace begierig darauf, unsere Fragen zu beantworten. Und schließlich sind wir ja keine Barbaren.“ „Du vielleicht nicht“, erwiderte Daniel drohend, verminderte aber leicht das Gewicht auf Wallace’ Brust. „Meine Gattin besitzt ein weiches Herz, und ich will ihr gern den Gefallen tun, dich zu verschonen. Aber wenn du uns nicht in zehn Sekunden antwortest, jage ich dir eine Kugel in deinen harten Schädel. Also, warum sind deine Freunde nicht bei dir?“
Ängstlich betrachtete Wallace die Mündung der Pistole. „Sie wollten nicht mitkommen.“
„Weshalb? Waren sie mit deinen heimtückischen Plänen nicht einverstanden?“
Daniels Ton war so hasserfüllt, dass Wallace vor Furcht zitterte. „Zieh bitte keine voreiligen Schlüsse. Deine Frau ist ein hübsches Ding, trotzdem wollte ich ihr nichts tun.“ „Sondern sie lediglich entführen!“
„Aber ihr sollte kein Leid geschehen!“
Verwirrt musterte Daniel den Kerl. „Wie soll ich das verstehen?“
Verzweifelt versuchte Wallace erneut, sich zu befreien, gab aber schnell auf und ließ sich schwach zu Boden sinken. „Ich wollte sie Crouch bringen.“
„Crouch? Was hast du mit Crouch zu schaffen?“ Wieder zielte Daniel auf Wallace. „Falls du glaubst, ich würde dich aus Angst vor Crouch laufen lassen, weil du vorgibst, zu seiner Bande zu gehören, hast du dich geschnitten.“ „Nein, nein, das meinte ich nicht!“ Wallace rang nach Luft.
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