Die heimliche Gemahlin
Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken. Schmuggler ? In Aylesbury, mitten im Herzen Englands? Allein der Gedanke war lächerlich! Der Ort befand sich meilenweit von der Küste entfernt, an der Schmuggler nun einmal notwendigerweise ihr Handwerk ausübten. Und selbst wenn Morgan diesem ehrenwerten Gelderwerb nachgehen sollte, was trieb ihn ausgerechnet nach Warwickshire, um ein Mädchen zu entführen, das nur eine vergleichsweise bescheidene Mitgift zu erwarten hatte? Wo es doch so viele steinreiche Erbinnen in London gab!
Aber Helenas Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war sie offenbar vollkommen davon überzeugt. Irgendein junger Heißsporn floh mit ihrer Schwester, und sie hegte keinen Zweifel daran, dass er ein Verbrecher war.
Allerdings deutete Morgans Verhalten tatsächlich daraufhin, dass er ein Mitgiftjäger sein könnte. Wahrscheinlich war er geschäftlich nach Stratford gereist, wo ihm dann Juliet in die Arme lief - mitsamt ihrer Mitgift. Vielleicht hatte er behauptet, Captain der Armee zu sein, um ihre Aufmerksamkeit zu erringen.
Heiratsschwindler und Schmuggler waren allerdings keineswegs Halunken vom selben Schlag! Daniel konnte kaum verbergen, wie sehr ihn die ganze Geschichte amüsierte.
„Jedenfalls erzählten die Männer offen im Gasthaus von Aylesbury, dass sie Schmuggler seien. Außerdem haben sie auch noch freigebig französische Waren verteilt. Einer von ihnen schenkte der Kellnerin einen Schal aus feiner Spitze“, erklärte sie.
Diesmal musste er doch laut lachen. „Der Kerl wollte doch nur angeben. Wahrscheinlich hat er den Schal in London gekauft und dann vor dem Mädchen angegeben, damit sie ihm das Bett wärmt. So sind Männer nun einmal.“
„Darüber dürften Sie besser Bescheid wissen als ich“, entgegnete sie spitz und reckte hochmütig das Kinn.
„Vorsicht, meine Liebe. Eines Tages werden Ihnen sonst noch wirklich Haare auf den Zähnen wachsen.“ Mit dieser Bemerkung handelte er sich einen kühlen Blick ein. Schmuggler, beim besten Willen ... „Nannte die Frau Ihnen noch andere Gründe für ihre Vermutungen?“
„Sie sagte, die Männer hätten dem Wirt französischen Branntwein verkauft“, antwortete sie.
Nun gut, dies war tatsächlich ein Anhaltspunkt, bedeutete aber noch lange nicht, dass die Kerle selbst schmuggelten. „Und Morgan gehörte wirklich zu diesen Herren? Vielleicht war er ja nur auf der Suche nach ein paar Saufkumpanen?“
„Er kam mir nicht wie ein Mann vor, der sich im Allgemeinen nach menschlicher Gesellschaft sehnt“, meinte sie. „Es war etwas Herzloses an ihm, trotz seines guten Aussehens und geschliffenen Auftretens.“
„Was ihn natürlich sofort zum Verbrecher abstempelt.“ „Das wollte ich damit nicht sagen!“ rief sie. „Obwohl ich ihm nicht über den Weg traute, habe ich ihn nicht für kriminell gehalten. Auf den Gedanken kam ich erst, als ich von seinen Freunden hörte.“
„Die vielleicht nicht einmal wirklich seine Freunde waren.“
„Glauben Sie doch, was Sie wollen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Jedenfalls fuhr ich von Aylesbury weiter nach London, habe ihre Spur hier aber gestern endgültig verloren.“ Himmel, er musste wohl dankbar sein, dass sie nicht mitten in der Nacht an seine Tür geklopft hatte, als er sich gleichermaßen mit Brandy und der guten Sally im Bett vergnügt hatte!
„Ich habe keine Ahnung, wo ich nun nach den beiden suchen soll“, flüsterte Helena. „Deshalb kam ich zu Ihnen.“ „Damit ich mich an die Fersen von Morgan und Ihrer Schwester hefte.“
„Richtig. Immerhin verfügen Sie über einige Erfahrung mit ... nun ja ...“ Sie stockte.
Die Erkenntnis traf ihn beinahe wie ein Schlag. „Schmugglern.“
Sie senkte beschämt den Kopf. Selbstverständlich war dieses ganze Geplapper darüber, wie sehr sie ihm vertraute, ein reines Ammenmärchen gewesen. Das wusste er jetzt. Seine Laune verschlechterte sich zusehends.
„Sie sind also zu mir gekommen, weil Sie von meinen Verbindungen zu Schmugglern wissen“, stellte er eisig fest. „Deshalb haben Sie mich zu Ihrem Retter in der Not auserkoren, stimmt’s?“ Sie hielt ihn also für einen ebensolchen Schurken wie Morgan! Heißer Zorn stieg in ihm auf.
Noch immer wagte sie nicht, ihn anzusehen. „Nein, das ist nicht der einzige Grund. Sie sind der einzige Mensch, den ich in London kenne, wenn es mir auch durchaus in den Sinn kam, dass ...“
„Danke, ich verstehe Sie nur zu gut. Da ich ja selbst einmal ein Schmuggler war, nehmen Sie an,
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