Die heimliche Lust
möglichen Schadens, den die Folgen der Affäre für sie gehabt haben könnten, bekommen sie eine Mutter, die imstande ist, auf ihrer Seite zu stehen und präsent zu sein.
»Emotional auf ihrer Seite, meinen Sie ?«
Ja. Denn ich begreife es jetzt, begreife diese ganze Sache zwischen Müttern und Kindern, die mir vorher nicht klar war. Schauen Sie: Bevor ich die Affäre hatte, habe ich mich aufgrund meiner eigenen Unsicherheit und Depression von meinen Kindern oft innerlich entfernt — und dem Urteil der Lehrerin über Menschen, die ich besser kannte als sie, zugestimmt. Ich habe mich auf die Seite der Autoritäten gestellt. Das ist vielleicht nur eine Kleinigkeit, aber ich betrachte es inzwischen als ein großes Unrecht, einen Verrat an den Menschen, die mir wichtig sind, und als einen Verrat an meinen eigenen wahren Gefühlen. Es ist, als ob irgend etwas in mir ins Lot gekommen wäre, ich jetzt erst sehen und meine eigenen Gefühle empfinden könnte. Als ob ich vorher konfektionierte Gefühle gehabt hätte — »so empfindet eine Mutter, so empfindet eine Ehefrau«. Die Affäre hat bewirkt, daß ich die Gefühle des Outsiders kennenlernte und dabei die Autorität und Anteilnahme des Insiders behielt.
Ein neuer Blick für Richtig und Falsch
»Richtig« und »Falsch« zählten plötzlich weniger für die Frauen, sobald »Freude« mehr zu zählen begann. Zwei Frauen, Jessie und Corrie, beide in den Zwanzigern, beide seit drei Jahren verheiratet und seit einem Jahr in einer außerehelichen Beziehung, berichteten:
Es ist mir nie in den Sinn gekommen, das in Frage zu stellen, was ich von einer Beziehung hatte, solang ich die Beziehung hatte. Daß sie existierte, war das Entscheidende; ich machte einen Riesenbogen um die Frage, ob ich mich da nun gut fühlte oder nicht, so wie man als kleines Mädchen seinen Vater zu erfreuen versucht, ohne solche Fragen zu stellen. Kein Vergnügen? Warum mache ich es dann? Brauche ich einen Mann, der mir Kummer macht? Ich brauche einen Mann, der mir Freude macht.
Sie begannen Wert auf ihre eigenen Reaktionen, ihre eigene Reaktionsfähigkeit zu legen. Sie wünschten sich Partner, die, wie Jessie es formulierte, »dem ändern Freude, Vergnügen bereiten wollen«.
Wissen Sie, ich höre diese leise Stimme nicht mehr, die sagt: »Mehr Ernst, bitte. Beziehungen sind kein Scherz. Sie sind harte Arbeit. Mach dich an die Arbeit .« Das ist vorbei!
Die Verwandlung
Wie kann man ermessen, was sich bei einem Menschen verändert hat, der von sich selbst sagt, er fühle sich anders? Die meisten dieser Frauen lernte ich erst kennen, als die Veränderung, die sie an sich feststellten, schon vollzogen war. Ich mußte darauf vertrauen, daß die Dimensionen ihrer Erfahrungen wie auch ihrer inneren Veränderungen der Grund waren, warum sie so viele Stunden mit mir verbrachten. »Verwandlung« nennt William James den Prozeß der Veränderung durch religiöse Erfahrung in Varieties of Religious Experience, ein inneres Geschehen, das ebenso schwer beschreibbar wie wissenschaftlich analysierbar zu sein scheint:
Weder ein außerstehender Beobachter noch das Subjekt, das diesen Prozeß durchmacht, kann erklären, wie es kommt, daß spezifische Erlebnisse das eigene Energiezentrum so entscheidend verändern bzw. warum sie das oft nur in einem, dem richtigen Augenblick tun; ähnlich wie wir öfter einen Gedanken haben oder mehrmals eine Handlung vollziehen, aber an einem bestimmten Tag durchzuckt uns zum ersten Mal die wahre Bedeutung des Gedankens oder die Handlung hat sich plötzlich in eine moralische Unmöglichkeit verwandelt. Das einzige, was wir wissen, ist, daß es tote Gefühle, tote Ideen und kalte Überzeugungen gibt und daß es heiße und lebendige gibt; und wenn ein Gefühl oder Gedanke in uns heiß und lebendig werden, dann muß sich alles darum herum neu zusammensetzen.
Ich glaube, die Frauen, mit denen ich sprach, waren zu mir gekommen, um mir von ihrer Verwandlung zu erzählen, von der Neustrukturierung ihrer Gedanken und Gefühle und vom Wiederfinden einer seit langem vermißten Lebendigkeit. All dies förderte ihr sexuelles Selbst zutage, integrierte es neu in ihre Person — und immer war eine außereheliche Beziehung der Katalysator. Darin fanden sie, wenn auch nur vorübergehend, etwas zutiefst und vielleicht unwiderruflich Befriedigendes: das Erlebnis einer Beziehung, die keinen anderen Daseinsgrund hatte, als Lust und Freude zu bereiten.
Die Worte, die die Frauen benutzten, um
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