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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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Achseln.
    »Was machen wir nun?« Ihre Stimme war noch erregter und drängender geworden.
    »Was sollen wir machen? Nichts! Warten!«
    Marozia wurde plötzlich bleich und faßte sich ans Herz, mußte sich hinlegen. Als ich nach Anastasius und einem Arzt rufen wollte, hielt sie mich mit letzter Kraft zurück. »Kein Arzt! Sag niemandem etwas! Meine Tage sind gezählt, das spüre ich, so oder so.«
    »Noch nicht! Du bist auch nicht krank! Wieviel Jahre zählst du? Gerade mal sechsundvierzig …«
    Sie stöhnte auf und schien ihre Schmerzen niederzuringen. Nach einer Weile wurde sie ruhiger, und ihre Gesichtszüge glätteten sich.
    »Aglaia?« flüsterte sie.
    »Ja?«
    »Ich darf auf keinen Fall Hugo in die Hände fallen. Ich will keine Kaiserin mehr werden. Mein Ehrgeiz ist aufgebraucht. Ich könnte auf der Isola Bisentina meinen Frieden finden. Oder an einem noch abgeschiedeneren Ort.«
    Ich sagte nichts.
    »Weißt du, wohin ich flüchten könnte?«
    »Du kannst nicht flüchten.«
    Sie beachtete meinen Einwand nicht. »In die Katakomben – wie meine Mutter.« Ihre Stimme war kaum zu hören. »Sie verschwand einfach. Hast du das vergessen?«
    »Wie sollte ich das vergessen?«
    »Vielleicht lebt sie noch …«
    »Aber Marozia!«
    »Ich würde ihr am liebsten folgen.«
    69
    Die Ereignisse überschlugen sich. Wachen erschienen und führten uns ab. Es wartete weder eine Sänfte noch eine Kutsche. Zu Fuß ging es an der Basilika des heiligen Petrus vorbei zum Tiber und hinüber zur anderen Flußseite. Die meisten Menschen, die uns begegneten, schienen ziellos und in höchster Furcht hin und her zu eilen. Einige waren mit Äxten und Forken bewaffnet, andere schleppten Steine und Ruinentrümmer. Es gab auch Männer, die in Grüppchen beisammenstanden und laut gestikulierend diskutierten. Als wir – zwei Frauen unter Bewachung, darunter eine alt und grau – an ihnen vorbeigeführt wurden, verstummten sie und schauten uns an: Rief keiner Marozia etwas zu? Wollte ihr niemand einen Becher Wasser reichen? Sollte sie nicht einmal verhöhnt werden?
    Die Menschen blieben stumm.
    Ich wollte es nicht glauben. Marozia, bis vor kurzem die unangefochtene Herrin der Stadt, die das Volk so häufig hatte feiern lassen, die so viele Oboli persönlich unter die Armen gestreut und deren Familie für Sicherheit und Arbeit gesorgt hatte – wollte sie keiner mehr kennen und beachten?
    Sie strauchelte, und ich stützte sie. Ihre Amme, zwanzig Jahre älter als sie, mußte sie führen! Noch einmal warf Marozia einen Blick auf die Menschen, versuchte sich voller Stolz zu strecken – war sie wirklich nach so kurzer Zeit bereits vergessen?
    Ein einziges Gesicht hellte sich auf. Ein junger Mann stürzte auf uns zu, ergriff unsere Hände, küßte sie, küßte den Ring meines Vaters, den ich noch immer trug. Ich kannte ihn, wußte aber in diesem Augenblick nicht mehr, woher.
    »Ihr lebt! Welch Wunder! Ich muß es meinem Großvater sagen!« Bevor die Wachen eingriffen, lief er uns in Richtung Via Lata voraus.
    Als wir in die Straße einbogen, begriff ich, woher ich ihn kannte. Es war Jakob, der Enkel unseres weisen Freundes.
    Schon öffnete sich das Portal des Fernhändlers Aaron, und mehrere Männer trugen auf einer Sänfte den erblindeten Greis heraus. In dünnen weißen Strähnen hing sein Bart herab. Zittrig hob er seine rechte Hand, als wolle er winken. Ich riß mich von den Wachen los und kniete mich vor ihn, nahm seine Hand, so wie meine Hand soeben von dem Jungen ergriffen worden war, küßte sie, stammelte seinen Namen.
    »Du lebst noch, mein Kind?« hauchte er stimmlos. »Der Herr ist gerecht und voller Güte.«
    »Auch du lebst noch, Aaron!« rief ich.
    Ich faßte es nicht. Wie alt mußte er sein? Weit über achtzig Jahre, neunzig vielleicht?
    »Nicht mehr lange, mein Kind. Es ist Zeit, daß ich den Heimweg ins Land der Väter antrete.« Er fuhr mir segnend über den Kopf.
    »Auch ich werde den Heimweg antreten …«
    »Reist du zu deinem Sohn? Er hielt sich wieder in Rom auf, war sogar bei mir; ich bewirtete ihn.«
    »Und was ist mit deinem Enkel Jakob? Wir trafen ihn soeben …«
    »O, mein lieber Enkel. Es geschehen Wunder. Weißt du denn, daß …«
    Die ungeduldigen Wachen hatten mich nach meiner Begrüßung wegzuzerren versucht. Ich wehrte mich, wollte mit Aaron reden, wollte wissen, was er Neues über Alexandros wußte, was er mir über Jakob zu erzählen hatte. Die Wachen begannen zu brüllen und schlugen nicht allein auf

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