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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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mich, sondern auch auf die Männer ein, die Aaron stützten. Es entstand, bevor ich mich's versah, ein heftiges Handgemenge, bis plötzlich Aaron mitsamt seiner Sänfte umkippte. Ich schrie auf, weil ich ihn fallen sah, ganz langsam, so schien es mir, wie in einem Alptraum, in den man nicht eingreifen kann: Aaron kippte zur Seite und dann vornüber. Er stieß mit dem Kopf auf das Pflaster. All mein Schreien nützte nichts. Ich riß ihn empor, drückte sein Gesicht an meine Brust. Aus einer Platzwunde an der Stirn sickerte Blut.
    »Aaron!« schrie ich. Preßte ihn an mich, als müßte ich ihn schützen.
    Aaron war tot.
    Als wir durch das Vestibyl in unser altes Haus an der Via Lata traten, war ich erstarrt vor Schmerz. Alberico kam uns entgegengeeilt. »Ich muß leider noch einmal zur leonischen Mauer. Es scheint sich eine Entscheidung anzubahnen …«
    »Läßt Hugo Rom erstürmen?« unterbrach ihn Marozia in tonlosem Entsetzen. »Hast du uns deshalb herbeischleppen lassen?«
    Alberico wurde sein Pferd zugeführt. »Ich habe euch holen lassen, weil ich …« Er hielt inne, als müsse er sich besinnen, und trat nah an seine Mutter heran. Beide schauten sich in die Augen. »Du mußt dich entscheiden.«
    »Ich muß mich entscheiden?«
    Aarons Tod hatte mich in eine Erstarrung versetzt, die sich nur langsam löste. Ich wußte, daß ich jetzt meine Gedanken sammeln und meine Kräfte bündeln mußte: Es nahte entweder die Stunde der Freiheit oder die Stunde des Todes.
    Bevor Alberico auf Marozias Einwurf antworten konnte, preßte ich mit zittriger Stimme hervor: »Deine Wachen haben den Juden Aaron getötet. Dies ist ein schlimmes Verbrechen. Weißt du, was deine Großeltern und ihr alle ihm zu verdanken habt?«
    Alberico fuhr nervös durch die Mähne des Pferdes und griff nach den Zügeln. »Ich hörte bereits davon. Es war ein Unglücksfall – und ganz besonders bedauerlich, weil …«
    Ich ließ ihn nicht ausreden. »Ein Unglücksfall, ein bedauerlicher Unglücksfall – wie alles in eurer Familie, was?« Ich konnte mich nicht mehr beherrschen. »Nein, ihr seid der Unglücksfall! Das ist die Wahrheit. Ihr seid eine Ansammlung ungeheurer Unglücksfälle!« Noch immer stand mir Aarons Stirn vor Augen, ich fühlte seinen leblosen Körper an meiner Brust.
    Alberico erwiderte nichts, schaute mich lange an, reglos und plötzlich todmüde. »Du hast recht«, beendete er sein Schweigen, jedes Wort einzeln betonend. »Und weiß du, wer diese Unglücksfälle überwinden muß?«
    »Warum muß ich mich entscheiden?« mischte sich Marozia wieder ein.
    »Ich!« rief Alberico. »Ich muß sie – überstehen, und ich will sie lebend überstehen. Jetzt laßt mich ziehen, Rom soll nicht diesem tyrannischen Usurpator in die Hände fallen.«
    Ich sagte nichts mehr, noch immer zitternd vor Erregung.
    »Warum hast du uns hierher schleppen lassen?« fragte Marozia eindringlich. »Willst du mich töten lassen, bevor Hugo die Stadt erobert?«
    »Ich wollte euch holen, weil …« Ihm schien plötzlich der Grund entfallen zu sein, und er wirkte hilflos und überfordert. Rasch schwang er sich in den Sattel. Bevor er seinem Rappen die Sporen gab, rief er noch: »Falls Hugo wirklich in die Stadt einfällt, sollten wir ihn gemeinsam empfangen.«
    Wir wurden mit mehreren Strohsäcken in einen fast dunklen Vorratsraum gesperrt, an den ich mich genau erinnerte. Auch Marozia wußte, wo wir uns befanden.
    »Was bezweckt er damit?« fragte sie. »Sollen wir uns verstecken können, wenn Hugos Horden die Stadt erobern? Oder sollen wir freiwillig … Will er, daß ich meiner Mutter nachfolge?«
    Durch einen kleinen Entlüftungsschacht fiel schwaches Licht in den Raum, so daß ich nach kurzer Gewöhnung begann, die Wände abzutasten und nach dem Hebel zu suchen, der die Geheimtür öffnete. Tatsächlich, ich fand ihn, er funktionierte noch, und mit einem leisen Knirschen ließ sie sich aufdrücken.
    Ich suchte in dem Raum nach einer Fackel, einem Öllicht oder einer Kerze. Nichts war zu finden. Dann starrte ich in den schwarzen Gang, aus dem uns ein dumpfer, übler Geruch entgegenschlug. Um mich nicht umgehend zu übergeben, wandte ich mich ab. Auch Marozia hielt die Hand vor Mund und Nase und wich einen Schritt zurück.
    »Ich soll wie meine Mutter verschwinden, vom Erdboden verschluckt werden … Dann braucht sich niemand die Hände schmutzig zu machen.«
    Ich schüttelte den Kopf, weil ich keine Antwort wußte; weil ich überhaupt nicht mehr

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