Die heimliche Päpstin
Berta, wandte sich dann seiner Mutter zu: »Dein Gemahl Hugo, Graf von Arles und König in Pavia, der damals leider aus der Engelsburg entfliehen konnte – du erinnerst dich –, hat erfolgreich dagegen intrigiert und möchte statt dessen seine eigene Tochter Alda am Kaiserhof unterbringen – bisher ebenfalls ohne Erfolg.« Er lachte meckernd, verstummte wieder und ließ seine Finger ineinandergleiten. »Ich hätte ihn unverzüglich erwürgen lassen sollen, den Bastard. Nachsicht zahlt sich nicht aus.«
Ich nahm Bertas Hand und drückte sie, sie lehnte ihren Kopf an meine Schulter.
Es entstand ein längeres Schweigen.
»Und wie geht es meiner Schwester Theodora und ihren Töchtern?« fragte Marozia schließlich.
»Es sieht so aus, als würden die drei hübschen Larven bald bestens verheiratet. Sie sind Roms begehrteste Partien und werden über die Stadt hinaus für ihre Schönheit gerühmt. Sogar Herzogssöhne aus Neapel haben bereits angeklopft. Dein Sohn Konstantin wird im übrigen Farfa verlassen und nach Nepi gehen. Dort wird eine Bischofsstelle frei, und Giovanni war so frei, sie ihm anzubieten.«
»Das ist ja schön«, sagte Marozia.
»Hast du noch genügend Pergament für deine Aufzeichnungen?« Alberico richtete sich an mich. »Ich hörte von Anastasius, du hättest ein ganzes Epos geschrieben … das ich natürlich gerne lesen würde …«
»Nach unserem Tod – vielleicht …«
»Marozia, die heimliche Päpstin könntest du es überschreiben. Mit dem Zusatz: Hochmut kommt vor dem Fall.«
Ich reagierte nicht. Alberico wollte ironisch und spöttisch sein und bewies nur seine Hilflosigkeit.
Es sah so aus, als hätte Marozia gar nicht zugehört. »Giovanni, Alberico, Berta«, preßte sie hervor, »laßt mich sagen, was mein Herz zu erdrücken droht.« Ihre Stimme wurde freier und klarer. »Es ist meine Schuld, meine allein. Wir hätten alle glücklicher sein können, wenn ich euch … mehr … geliebt hätte. Das ist die Wahrheit. Verzeiht mir!«
Noch bevor eines der Kinder antworten konnte, erhob sie sich und verschwand in unserem Häuschen.
»Zu spät«, sagte Alberico.
Ich mußte ihm widersprechen: »Es ist nie zu spät, solange wir noch atmen.«
68
Die nächsten Jahre flogen an uns vorbei. Die Kerkergruft hätte Marozia nicht länger überlebt; hier in unserem vatikanischen Gartenhaus jedoch durften wir den täglichen Wechsel des Lichts erleben, die Rhythmen von Sonne und Regen, fallenden und sprießenden Blättern, Blüte und Verfall. Wir waren wohlversorgt und überstanden mehrere Fieberschübe, die allerdings an unseren Kräften zehrten.
Marozia genoß die Stimmungen des Parks wie ein friedliches Paradies, das keine Anforderungen an sie stellte. Sie blühte regelrecht auf, ihre Haut tönte sich sanft, und ihre Formen rundeten sich.
»Was würdest du unternehmen, wenn Alberico uns freiließe? Zu Hugo zurückgehen?« fragte ich sie einmal.
»Unter keinen Umständen! Ich könnte diesen Barbaren keine Stunde ertragen.«
»In ein Kloster gehen?«
Eine Weile dachte sie nach. »Vielleicht in das kleine Nonnenkloster auf der Isola Bisentina.« Nach einer kurzen Pause fuhr sie leise fort: »Lieber allerdings nach Konstantinopel. Meine Träume bedrängen mich mehr denn je; ich will Alexandros ein letztes Mal sehen und dann …« Ihre Stimme erstarb.
Ihre Antwort versetzte mir einen Stich ins Herz, denn in unserer Lage und nach meiner Begegnung mit Alexandros schien mir die Erfüllung dieses Wunschs ferner denn je.
Einmal täglich erschien Anastasius, erkundigte sich nach unserem Befinden und informierte uns über die neuesten Entwicklungen in der Stadt. Immer wieder betonte er, Princeps Alberich sei ein ungewöhnlich guter Herrscher und habe stets Roms Wohlergehen im Blick, ja, er setze sich sogar intensiv für kirchliche Belange ein – im Gegensatz im übrigen zu Papst Johannes, der häufig kränkele, kaum noch auftrete und ohnehin all das anordne und unterzeichne, was sein Bruder ihm auftrage.
Princeps Alberich habe, so hörten wir, das Konsulamt wieder neu belebt, einen Magistrat eingesetzt, der sich tatsächlich um die Verwaltung der Stadt zu kümmern habe, Senatoren als Berater ernannt und Bestechlichkeit unter Strafe gestellt.
»Mehrfach«, so führte Anastasius aus, »hat unser Princeps Abt Odo von Cluny empfangen. Dieser Abt ist ein wunderbarer Mann, weise, anspruchslos und freundlich, und dennoch hört er nicht auf, die Sünden des verweltlichten Klerus anzuprangern
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