Die heimliche Päpstin
päpstlichen Dienst vermeldet wurde.
Daß dem Hilferuf an den fränkischen König diesmal mehr Erfolg beschieden war, merkte ich daran, daß Sergius in unserem Atrium mehrfach in Verwünschungstiraden ausbrach und das Waffengeklirr unserer Söldnerschar zunahm. Der blonde Langobardenrecke, dessen Wangen zwei tiefe Grübchen zierten, veranstaltete täglich mit seinen Leuten Fechtübungen. Anschließend sah man ihn mit Theodora zusammenstehen und scherzen.
Kaum hatten alle gemeinsam, Gegner wie Anhänger des Formosus, die Weihnachtsmesse in der Basilika des heiligen Petrus gefeiert, als auch schon die Nachricht die Runde machte, der Bastard Arnulf nähere sich tatsächlich mit zwei Heersäulen der ewigen Stadt. »Die Barbaren kommen!« scholl es durch die heiligen Hallen, noch bevor das Ite missa est gesprochen war.
Sie kamen tatsächlich.
Papst Formosus frohlockte, während Sergius versuchte, seine Anhänger bei der Stange zu halten, insbesondere den jungen Kaiser Lambert, der schon die Pferde sattelte, um sich mit seinen Männern aus dem Staub zu machen. Er hatte jedoch nicht mit seiner Mutter Agiltrud, Widos energischer Witwe, gerechnet, die ihm kurzerhand befahl, in der Stadt auszuharren und mit Hilfe des Sergius Papst Formosus gefangenzusetzen. Das römische Volk sei auf ihrer Seite, weil es fremde Eroberer und ihre plündernden Horden aus leidvoller Erfahrung hasse wie nichts auf der Welt.
Agiltrud schätzte die Römer richtig ein. Armut, Pestwellen und Überschwemmungen wurden hingenommen, zerfallende Straßen, Kirchen und Brücken schienen wenig zu stören, man ließ sich mit Brot und Denaren bestechen, ließ heute diesen Kaiser und morgen jenen Papst hochleben; man jubelte beim Tod des Heiligen Vaters, weil es wieder Anlaß zu Plünderungen gab, jubelte bei der Ernennung des neuen, weil Geschenke verteilt wurden – aber fremde Soldaten duldete man unter keinen Umständen innerhalb der Mauern, unter der Tunika, wie man sich auszudrücken pflegte.
Im römischen Ruinenlabyrinth und in den innerstädtischen Weinfeldern und Obstgärten kämpfe jeder Römer um die unbefleckte Ehre seiner geliebten Stadt, so verkündete die starke Kaiserwitwe und Kaisermutter Agiltrud, die selbst langobardischem Blut entstammte und mit einem Mann fränkischer Abstammung verheiratet gewesen war. Den Goten und Vandalen habe man sich ergeben müssen, führte sie am Rande unseres Atriumbrunnens aus, aber bereits die Sarazenen seien nicht bis ins Herz der Stadt vorgedrungen, weil der Römer eher sein Leben opfere als die Ehre seiner Stadt verrate. Falls der Fremde aus dem Norden wirklich wagen sollte, die Mauern der Stadt zu stürmen, würden ihre Gassen, Kirchen, Häuser und Ruinen zu seinem Grab.
Noch heute sehe ich Agiltruds grünliche Wolfsaugen vor mir und höre ihre im Zorn knurrende Stimme, die die Kinder so verschrecken konnte, daß sie sich in den Garten flüchteten.
Bevor die Barbaren vor den Mauern standen, stürmten Sergius und Agiltrud mit ihren Privatmilizen tatsächlich den Vatikan, setzten Papst Formosus gefangen und sperrten ihn in die Engelsburg. Die schweren Stadttore wurden geschlossen, und auf den Mauern schoben Römer und Kämpfer aus Spoleto und Tuszien gemeinsam Wache.
Arnulf, der Teutone, wie ihn die Römer mittlerweile nannten, erschien vor den Mauern der Stadt und errichtete erst einmal sein Lager auf den Neronischen Feldern, forderte Rom zur Öffnung seiner Tore sowie zum ehrenwerten Empfang auf und dämpfte den Eroberungswillen seiner Soldaten, die sich – so ist anzunehmen – Ruhm und fette Beute versprachen. Als die Spoletaner unter Agiltruds Führung, die Tuszier und die Römer selbst Arnulfs Aufforderung höhnisch zurückwiesen, vermochte der Teutone seine Soldaten nicht mehr zurückzuhalten. Tumultartig forderten sie die Erlaubnis zum Sturm, wie uns einer unserer Pferdeknechte, der als Milizionär Wache geschoben hatte, berichtete. Schon bald lehnten die Leitern an den Mauern der Leostadt, des vatikanischen Teils jenseits des Tiber, und es wurden Pferdesättel aufeinandergetürmt, um auf diese Weise dem furor germanicus freien Lauf zu lassen und den Verteidigern Roms mit dem blutgierigen Schwert den Schädel zu spalten. Streitäxte schlugen auf das Holz der Portale, Rammböcke lockerten die Verankerungen, und schon am Abend hatten die fränkischen, alemannischen, sächsischen und bairischen Männer den Vatikan besetzt und Papst Formosus aus der Engelsburg befreit.
Agiltrud sah nun keinen
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