Die heimliche Päpstin
hinter dir – und auch die Mehrheit des Senats.«
Theodora fixierte Sergius mit ihren Kleopatra-Augen und befahl mir, die Kinder zu holen. Ich trug sie auf dem Arm herbei, setzte sie vor Theodora ab, die sie zu den Männern schob.
»Es ist jetzt nicht der Augenblick …«, zischte ihr Theophylactus zu.
»Hast du gesehen, Sergius, wie Marozia gewachsen ist? Schaut sie nicht wie ein Engel aus? Und sieh dir deinen Sproß an, entwickelt er sich nicht ebenso prächtig?«
Sergius warf einen prüfenden Blick auf Alexandros, nickte dann knapp, ohne ein Wort zu sagen.
»Ihr dürft den Kampf nicht aufgeben«, fuhr Theodora im gleichen Ton fort. »Denkt an die Kinder und ihre Zukunft.«
Sie griff nach ihrer Tochter, und bevor jemand reagieren konnte, hatte sie die kleine Marozia Sergius in den Arm gedrückt. Unsere Tochter reagierte ohne Scheu, brachte sogar mit ihren Händchen den Haarkranz des Diaconus in Unordnung. Ein wenig hilflos ging er auf ihre Spielchen ein. Die Kleine lächelte und patschte ihm die Wange.
»Kinder sind ein Geschenk Gottes«, antwortete Sergius, an Theodora gewandt. »Mir werden sie verwehrt bleiben.« Es klang bedauernd. Dabei vermied er, Alexandros und mich anzuschauen – der Vater meines Sohnes, der Mann, der mich und das Kind hatte umbringen wollen. Heute, so viele Jahre später, weiß ich nicht mehr, was ich damals empfand: Haß oder Glück oder Dankbarkeit – oder alles zusammen?
»Komm in den Empfangsraum!« rief ihm Theophylactus zu. »Wir müssen besprechen, wie wir die Stadt unter unsere Kontrolle bringen können.«
15
Formosus blieb mehrere Jahre unangefochten Papst, bis Sergius und seine Anhänger eine neue Chance witterten, ihn unter Druck zu setzen. Sie hatten die Herrscher von Spoleto und Tuszien, also Roms direkte Nachbarn, auf ihre Seite ziehen können und ihre bewaffneten Milizen, als Knechte getarnt, verstärkt.
Theodora hatte während dieser Zeit immer wieder Theophylactus angetrieben, Sergius zu unterstützen, doch brachte sie zwei Jahre nach Marozias Geburt eine weitere gesunde Tochter zur Welt, die nach ihrer Mutter Theodora genannt wurde, und war eine Weile abgelenkt. Auch für mich gab es nun mehr zu tun, obwohl ich diesmal das Kind nicht mehr stillen konnte.
Marozia und Alexandros waren fünf Jahre alt geworden, als Sergius wieder häufiger in unserem Haus auftauchte und unter Theophylactus und Theodora Hektik und Nervosität ausbrachen. Ein Teil der Diener wurde bewaffnet, darüber hinaus bezog eine kleine Kämpfertruppe unter der Führung eines blondgemähnten, gladiatorstarken Langobarden einen Seitentrakt unseres Hauses. Auf seinen Muskeln ließ Theodora gern ihre wohlwollenden Augen ruhen. Daß mit diesem meist gutgelaunten und Witze erzählenden Langobarden namens Alberich ein Mann in unser Leben getreten war, der in unserer familia später eine wichtige Rolle spielen sollte, begriff ich damals noch nicht.
Ich hörte von Theodora, Papst Formosus fühle sich von seinen Gegnern in Rom, Spoleto und Tuszien bedrängt und habe sich daher einen neuen Bundesgenossen gesucht, den ostfränkischen oder auch deutschen, wie man neuerdings sagt, König Arnulf. Er habe ihn gebeten, nach Rom zu kommen und für Ordnung zu sorgen, zum Dank erhalte er die Kaiserwürde.
Was war die Folge? Ein Aufschrei unter den Römern, besonders laut beim gekauften Pöbel. Wie könne der Papst einen Fremden zum Kaiser ernennen wollen, einen deutschen Bastard noch dazu, wo es doch mit Wido von Spoleto bereits einen Kaiser gab. Unerträglich!
Sergius und seine Anhänger heizten die Stimmung in der Stadt mit Brot und Oboli an, ließen Menschenmassen durch die Straßen stürmen und den Papst unter geschüttelten Fäusten verwünschen. »Nieder mit dem Usurpator Formosus!« hörte man. »Werft ihn in den Kerker, ertränkt ihn im Tiber! In die Hölle mit ihm!«
Vorerst erschien König Arnulf jedoch nicht in Rom, und daher ließ der Druck auf Papst Formosus auch nicht nach, als Kaiser Wido von Spoleto unerwartet das Zeitliche segnete. Im Gegenteil: Sergius und seine Adelspartei sowie Adalbert von Tuszien forderten unverzüglich, Widos schmucken Sohn Lambert zum Nachfolger zu krönen. Wieder zogen bewaffnete Horden von der Basilika des heiligen Petrus zum Lateran und drohten, die päpstlichen Gemächer zu stürmen. Formosus beugte sich dem Druck und krönte Lambert von Spoleto zum Kaiser, schickte aber zugleich Gesandte zu Arnulf und bat ihn erneut um Hilfe, was Sergius durch Spione im
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