Die heimliche Päpstin
Domänen, Dörfer und Klöster.« Sie schaute mich an, als wüßte ich nicht, wovon sie sprach.
» Pecunia non olet «, sagte ich. »Geld stinkt nicht.«
Theodora nickte und fuhr mit ihrer Philippika fort.
»Ich verstehe Theophylactus nicht: Wir erhalten von unseren Besitzungen an den Hängen der Albaner Berge kaum noch Naturalien geliefert, ganz zu schweigen von Geld. Warum kümmert er sich nicht darum? Er verschuldet sich lieber beim Juden! Ich sage dir eins: Erst wenn die Brandschatzung der Ländereien und die Bedrohung der Pilger derartige Ausmaße annehmen, daß die Pilger gänzlich ausbleiben und Hungersnöte auf die herrschenden Familien übergreifen, wird sich ein Mann finden, der uns eint und den Kampf gegen die Ungläubigen aufnimmt. So lange will ich aber nicht warten.«
Auch ich habe mich häufig gefragt, was stärker ist: die Sucht, auf den eigenen Vorteil zu schauen, die Gier zu herrschen, die Lust an Streit und Kampf, an Quälerei und Mord, an Raffen und Brennen – oder die Einsicht in die Notwendigkeit der Gemeinsamkeit, der Herrschaft des Rechts, des sicheren Handels und Wandels. Warum begreifen wir so wenig, daß Einigkeit stark macht? Warum hören wir nicht auf die Stimme der Vernunft, gehorchen so selten den Geboten des dreieinigen Gottes? Selbst die, die seine obersten Diener sind, haben mit seiner Botschaft nichts im Sinn.
Theodora erhob sich und stand nun neben mir, aufrecht und stolz, schön unter ihrer Maske aus Salben und Puder, ohne die sie sich nicht unter die Menschen mischte, und verkündete: »Wenn sich Theophylactus weiterhin zurückhält, dann werde ich die Initiative ergreifen.«
Sie winkte die Kinder, die in der Loggia spielten, herbei und nahm entschlossen ihre Tochter Marozia auf den Arm, warf sie in die Luft, drückte sie an sich und küßte sie. »Wir beide werden es dem Männergeschlecht zeigen, nicht wahr, mein Kind?«
Alexandros streckte mir seine Ärmchen entgegen, so daß ich ihn ebenfalls hochnahm. Mit großen Augen blickte er auf das Triumphspiel von Mutter und Tochter. Und noch ein anderer beobachtete es: Theophylactus, der im Rahmen eines Fensters stand. In seinen Augen leuchteten Stolz und Zuversicht.
»Uns wird nichts aufhalten!« rief Theodora, während sie die juchzende Marozia in die Höhe hielt.
Ich drückte Alexandros an mich, weil mich jäh eine unerklärliche Angst beschlich.
14
Bald darauf – es tobte gerade ein heftiges Gewitter über der Stadt, der Regen rauschte auf Dächer und Straßen, und das Wasser suchte sich gurgelnd seinen Weg – donnerte und krachte es nicht nur über uns, auch von den Straßen drang heftiger Lärm durch die Mauern. Unser Hausverwalter und Procurator Martinus, ein sachlicher Mann mit treuen Augen, die sich in der letzten Zeit häufiger auf mich hefteten und denen ich mit einem freundlichen Lächeln begegnete, flüsterte mir zu, Papst Stephan sei gestorben, und wie immer in Zeiten der Sedisvakanz würden Fehden in ihr blutiges Stadium treten und alte Rechnungen beglichen, Pilger dahingemeuchelt, der Pöbel verliere jegliche Scham und Scheu, und die Diener im Vatikan plünderten hemmungslos die Gemächer des Dahingegangenen. Natürlich schlösse sich ihnen allerlei dunkles Gelichter an, die Stadthuren witterten ihre Chance, weil mehr Beutegeld vorhanden sei, der Wein flösse in Strömen, Freudentänze brächen aus, der Tiber sähe trunkene Bacchanalien, den Verlust so mancher Jungfräulichkeit und trüge ungerührt die Leichen davon. »Es ist am besten, man verläßt das Haus nicht – oder nur in Begleitung einer handfesten und gutbezahlten Bewachung.«
Martinus hatte mir die letzten Worte verschwörerisch ins Ohr geflüstert und sich mir so genähert, daß ich ihn zurückschieben wollte. Auch er hatte offensichtlich an den Freudentänzen teilgenommen und zu tief in den Weinkrug geschaut. So nahm ich, Vertraulichkeit und Wissen vortäuschend, seine Hand und fragte, ebenso flüsternd: »Was glaubst du, wer nächster Papst wird? Diaconus Sergius?«
Er grinste, weil er wie alle wußte, wer der Vaters meines Alexandros war, und schüttelte zweifelnd den Kopf. »Die Anhänger des Formosus sind stark und wollen ihren Kandidaten unbedingt auf den Stuhl Petri setzen, obwohl er ja bereits Bischof von Portus ist und nach kanonischem Recht nicht Bischof von Rom und damit Papst werden darf.«
»Aber wird nicht gegen diese Bestimmung immer wieder verstoßen?«
»Für eine griechische Sklavin kennst du dich in Rom gut aus.«
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