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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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beunruhigendes und zugleich erhebendes Glücksgefühl.
    Ich hatte in einer tiefen Nacht des Lebens den Kelch der verzweifelten Erniedrigung, des demütigenden Schmerzes austrinken müssen. Die dunkle Nacht neigte sich dem Ende zu, ging in die Morgendämmerung über, um vom aufgehenden Licht überstrahlt zu werden. Ich stellte fest, der Kelch war leer.
    Brauchen wir nicht die Nacht, um uns am Tag erfreuen zu können? Wissen wir nicht erst dann den Reichtum zu schätzen, wenn wir die Armut kennen? Und brauchen wir nicht die Fessel, um zu wissen, was Freiheit überhaupt bedeutet?
    19
    Im Frühjahr anno domini 898 kam es zu einer entscheidenden Aussprache, in der ich Theophylactus und Theodora die wirtschaftliche Lage der familia darlegte. Nach Gesprächen mit dem Procurator Martinus und dem Studium der Urkunden über die Besitztümer im Umland, die Bestätigungen der vatikanischen Kanzlei über Rechte auf Zolleinnahmen und Wirtschaftstätigkeiten in der Stadt, die vor Urzeiten ausgestellt waren, aber seit langem nicht mehr in Anspruch genommen wurden, nach der Durchsicht eines Dokuments, auf dem der jüdische Fernhändler und Geldleiher Aaron aus Antiochia Theophylactus' Schulden aufgelistet hatte, überlegte ich mir, wie die wirtschaftliche Lage unseres Hauses zu bessern sei.
    Theophylactus entstammte, wie ich aus manchen kaum noch leserlichen Papyri zu entnehmen glaubte, der Familie eines Präfekten, den Byzanz nach den Gotenkriegen zur Verwaltung der Stadt eingesetzt hatte, war also, wie ich nicht ohne Erstaunen feststellte, griechischen Ursprungs. Auf Grund dieser Stellung und der damit verbundenen Privilegien war ihm Grundbesitz im Umland von Rom überschrieben worden – wobei überschreiben kaum das rechte Wort war für den Erwerb der Rechtstitel. Es fanden sich keine Urkunden mehr, einzig Listen von Domänen, Dörfern und Klöstern, die viel später, unter der Herrschaft der Franken, angelegt worden waren und nach denen Abgaben gezahlt werden sollten – ohne daß klar wurde, ob je auch nur ein Denar geflossen war. Und was die Privilegien wie die Monopole in der Stadt anging, so entdeckte ich zwar Hinweise, aber nirgendwo Abrechnungen oder Berichte über tatsächlich erhobene Zolleinnahmen, über den Salzhandel mit den Salinen am Meer, über Mühlen am Tiber.
    Da unser Procurator Martinus Rom und seine Geheimnisse gut kannte und ich seinem Sachverstand vertraute, bat ich ihn, mir bei meinem Vorhaben beizustehen. Er schaute mich skeptisch an, lächelte liebevoll-spöttisch, weil er in mir eine gebildete Lehrerin sah, die sich offensichtlich für alte Urkunden, Listen und Schuldverschreibungen interessierte, aber doch nicht wirklich eine Person, die sich um die wirtschaftlichen Verhältnisse einer der mächtigsten Familien in Rom zu kümmern in der Lage war. Ich hatte jedoch mit Euthymides nicht nur Sappho und Epikur gelesen, Rhetorik und Dialektik studiert, sondern auch erfahren, wie mein Vater Haushalt und Fernhandel führte – schließlich sollte ich als einziges Kind sie irgendwann einmal weiterführen.
    Als ich Martinus mit zunehmender Begeisterung von Konstantinopel erzählte, dem Luxus unseres Lebens, dem Reichtum meines Vaters, seinen guten Kontakten zum kaiserlichen Hof, verlor sich sein spöttisches Lächeln, und sein Blick füllte sich mit Bewunderung.
    »Wie hast du nur die Gefangennahme und das Leben als Sklavin aushalten können?« fragte er mich schließlich. »Und dazu noch in solchem Gleichmut, stets mit freundlicher Stimme und guter Laune.«
    Ich mußte laut über ihn lachen und legte ihm die Hand auf den Arm – ohne Hintergedanken, vermutlich, weil ich seine Verwunderung genoß. Er ergriff auf jeden Fall meine Hand und drückte sie an seine Lippen.
    »Ach, Martinus!« sagte ich, entzog ihm die Hand, strich ihm jedoch über den Kopf. »Wir beide.« Lachte erneut, lachte auch über mich selbst, denn ich behandelte den deutlich älteren Martinus wie ein Kind. Dann legte ich ihm meinen Plan dar, den ich Theophylactus vorzutragen gedachte, und bat ihn um Unterstützung.
    Er nickte nur stumm.
    Ich forderte also Theophylactus auf, er solle sich ein Bild von seinen Besitzungen im Umland von Rom machen, um festzustellen, warum so gut wie keine Abgaben mehr flossen. In einem zweiten Schritt müsse man sich überlegen, wie man die Situation bessern könne. Anschließend gelte es, die alten Rechte und Privilegien in der Stadt gewinnbringend zu beleben.
    Theophylactus starrte mich in einer seltsamen

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