Die heimliche Päpstin
aufgeregt und lauthals diskutierten.
Ich weiß nicht, ob mich die Müdigkeit übermannt oder eine Ohnmacht erfaßt hatte – auf jeden Fall fand ich mich, bedeckt mit einer Wollstola, in der weichen und warmen Ausstrahlung eines Körpers wieder. Ich saß auf dem Kiesboden neben der Bank, an Martinus gelehnt, der mich umschlungen hielt, seinen Kopf auf meinen gelegt hatte, stumm und bewegungslos.
»Du bist mein Engel«, flüsterte ich, als der erste Lichtsaum glasig über den östlichen Himmel zog.
»Nein, du bist mein Engel«, entgegnete er.
Wir schwiegen beide, bis die Strahlen der aufgehenden Sonne die Wipfel der Bäume vergoldeten. Draußen, jenseits der Mauer, erschollen die ersten Rufe der Tiberschiffer und der Wasserträger, und im Haus rührten sich die Mägde. Bald würde auch Alexandros erwachen, der immer vor den Mädchen aufstand, die sich morgens gerne noch ein wenig räkelten und von mir mit Honigbrot aus dem Bett gelockt werden mußten.
Martinus schien zu merken, daß ich mich erheben wollte, und so drückte er mich fester an sich. Es war mir nicht unangenehm, weil er mich wie ein Bruder hielt. Oder wie ein Vater. Mir fiel sein Angebot ein, mit ihm nach Lucca und weiter nach Konstantinopel zu fliehen – er hatte es nie wiederholt. Er hatte mich auch nicht ein zweites Mal in eine dunkle Ecke gedrängt – und doch sprach sein Blick, bei dem ich ihn gelegentlich ertappte, eine unverkennbare Sprache. Ich mochte ihn, nicht nur wegen seiner Hilfe während der vergangenen Monate, seiner Aufrichtigkeit und Treue, seines Gleichmuts – von Epikur hatte er nie gehört, und doch schien er in seine Schule gegangen zu sein. Ich mochte den straffen Körper dieses bereits grauhaarigen Mannes, seine ebenso blauen wie sehnsüchtigen Augen.
»Hast du gemerkt, wie mißtrauisch und eifersüchtig Theophylactus auf den Besuch des Bischofs reagiert hat?« Martinus' Frage riß mich aus meinen Träumereien. »Ich hörte mich am späten Abend noch ein wenig um und denke, daß er allen Grund dazu hat. Theodora soll vor Leidenschaft glühen, erzählte mir ihre Kammerfrau, ihr Zimmer habe nächtens wie von einem Vulkanausbruch gebebt.«
Ich mußte lachen. »Ich kenne sie gar nicht so poetisch.«
Martinus war ernst geblieben. »Unserem Haus droht eine Gefahr von innen.«
»Der Bischof wird bald abreisen. Und ist Theodora nicht eine kühl denkende Frau, der es ebenso wie ihrem Mann um Einfluß und Macht in Rom geht?«
»Wie ich sie kenne, denkt sie kühl und fühlt leidenschaftlich. Während der ersten Jahre ihrer Ehe gab es regelmäßig nächtliche Vulkanausbrüche; später floß nur noch glühendes Gestein, das mit der Zeit erkaltete.«
»Woher weißt du das alles? Hast du gelauscht?«
Diesmal mußte Martinus lachen. »Unter der Dienerschaft wird viel geklatscht, und außerdem lassen Vorhänge Ausbrüche von Leidenschaft durchaus nach außen dringen. Lauschst du nie der verborgenen Sprache der Nacht? Auch in unserer domus wird geflüstert und geschmatzt, geseufzt und gestöhnt.«
»Ich schlafe bei den Kindern und achte darauf, daß sie in Ruhe die Nacht verbringen und träumen können …« Ich wollte dieses Gespräch nicht fortsetzen, wollte endlich zu den Kindern gehen, damit sie mich sahen, wenn sie die Augen aufschlugen.
Auch Martinus erhob sich. Als ich mich von ihm verabschiedete, nicht ohne ihm einen flüchtigen Kuß auf die Wange zu drücken, flüsterte er mir zu: »Es ist mir ernst. Alle unsere Pläne können nur gelingen, wenn Theophylactus und Theodora sich einig sind und nicht von Eifersucht und Abscheu zerfressen. Sonst wird ihr Geschlecht untergehen und wir mit ihm. Beten wir! Der Herr möge Theophylactus ein weites Herz geben …«
23
Kaum hatte ich die Kinder begrüßt, mit ihnen gefrühstückt und mir ihre Berichte über die vergangenen Tage, ihre Spiele im Garten, den neuen Lehrer und die Eifersüchteleien zwischen Marozia und der kleinen Theodora angehört, wurde ich zu ihrer Mutter gerufen, die mich unter vier Augen sprechen wollte und mir ohne Umschweife von Bischof Johannes berichtete, dessen Anblick, nein, dessen Ausstrahlung sie wie ein Blitz getroffen, dem sie sich noch in der ersten Nacht hingegeben habe, den sie bereits jetzt vermisse, ohne den sie nicht mehr leben könne.
Theodora näherte sich damals ihrem dreißigsten Lebensjahr, hatte also bereits den Zenit ihrer weiblichen Blüte überschritten, und doch sprach sie, als wäre sie zum ersten Mal verliebt. Ich konnte ihre
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