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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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einordnen – als Sklavin war ich nicht zu erkennen, da ich Reitkleidung trug und ebenso winddurchweht, wettergebräunt und verschmutzt wie die Männer war; so reichte er mir ebenfalls seinen Ring zum Kuß. Ich ging in die Knie und beugte mich über die edle, schmale Hand eines Mannes, der um die vierzig sein mochte, zehn Jahre älter als ich. Sie war gepflegt und roch angenehm. Ich küßte ein zweites Mal den Ring, als wollte ich meine christliche Demut unterstreichen, dabei ging es mir nur um den Duft, der mich an jemanden erinnerte. Als ich schließlich meinen Kopf hob und leicht verwirrt in das milde lächelnde Antlitz des Bischofs schaute, wußte ich, an wen er mich erinnerte.
    Ich lächelte zurück und war sofort von dem Bischof angetan. Sein glattrasiertes Gesicht mit hellen Augen unter feingezogenen Brauen, einem kräftigen Kinn, aber weichgeschwungenem Mund wirkte offen, weniger gütig als ehrlich und zugleich auf eine seltsame Art sinnlich. Er schaute mich forschend an, bevor er einen fragenden Blick zu Theodora sandte. Sie deutete ein Nicken an. Hatten die beiden zuvor über mich gesprochen?
    Bischof Johannes wandte sich nun wieder Theophylactus zu und erklärte: »Wie ich soeben deiner Gemahlin mitteilte, wurde Berengar von Friaul, der, wie bekannt sein dürfte, nach Lamberts Tod zum neuen König von Italien gewählt wurde und nun Anwärter auf den Kaisertitel ist, in einer erschreckend blutigen Schlacht an der Brenta von den Magyaren geschlagen. Man nennt sie auch Ungarn. Ihre schnellen Reitertruppen ergießen sich ungehindert über die fruchtbare und bevölkerungsreiche Po-Ebene: Sie verwüsten alles, was sich ihnen in den Weg stellt, brandschatzen die Klöster, Dörfer und Städte, töten Mönche, Bürger und Bauern, lassen die Mädchen und jungen Frauen, aneinandergefesselt wie Vieh, in ihre pannonische Heimat bringen, damit sie ihnen zu Diensten sein können. Die älteren Frauen werden erschlagen oder dienen den Bogenschützen auf ihren wendigen Pferden als Zielscheibe. Ihr seht also, daß nicht nur ihr von Invasoren heimgesucht seid. Um den Heiligen Vater von unserem Unglück in Kenntnis zu setzen, bin ich nach Rom geeilt – und statte nun allen adligen Familien der Stadt einen Besuch ab, um sie zu Einigkeit aufzurufen und Hilfe zu erbitten.«
    Theophylactus antwortete mit finster verzogenem Gesicht: »Und wo bleibt eure Hilfe? Wir haben soeben gesehen, was die Sarazenen in unserem Umland anrichten, mußten sogar einen Angriff zurückschlagen – hier, seht!« Er entblößte seinen Arm und zeigte Theodora und dem Bischof seine verkrustete Wunde.
    Johannes zeigte sich unbeeindruckt. »Der Allmächtige straft Süden wie Norden gleichermaßen. ER will uns zur Einheit zwingen. Doch muß ich hören, daß manche italischen Fürsten nicht mehr Berengar unterstützen, sondern den Provencalen Ludwig ins Land rufen.«
    »Wir haben andere Sorgen«, antwortete Theophylactus ruppig.
    »Unter den von mir genannten Fürsten ist Adalbert von Tuszien, euer Verbündeter, und ich befürchte …«
    »Der Bischof von Bologna hat recht«, fiel ihm Theodora ins Wort. »Wir besiegen unsere Feinde nur, wenn wir einig sind.«
    »Das sag' ich doch die ganze Zeit«, rief Alberich.
    Theophylactus grummelte. »Berengar und seine teutonenfreundlichen Anhänger spalten das Land – und Rom.«
    »Da muß ich widersprechen«, sagte Bischof Johannes.
    Die Diskussion nahm immer hitzigere Züge an. Ich tauschte einen kurzen Blick mit Martinus, der, die Hände vor seinem Bauch gefaltet, schweigend dabeistand und, wie ich, von niemandem beachtet wurde. So zog ich mich unauffällig zurück, um endlich zu den Kindern zu eilen. Im schwachen Licht einer Kerze lagen sie alle beieinander, wie die Engel so rein, friedlich und selig schlummernd. Auf Zehenspitzen schlich ich an ihre Bettstatt, um ihnen einen Kuß auf ihre Stirn zu drücken. Wie ich mich hinunterbeugte, tauchte vor meinen Augen ungerufen das Bild des toten Mädchens auf, das die Hunde hatten zerreißen wollen, und die süßen Gesichter der drei Kinder verzerrten sich zu einem Bild stummer Schmerzen.
    Ich richtete mich auf und spürte mein Herz mit heftigen Schlägen gegen die Brust pochen. Wellen der Angst überschwemmten mich, ließen mich zurücktaumeln und in den Garten fliehen. Zum Glück schien der zunehmende Mond so hell, daß ich keine Fackel benötigte. Im Schatten von drei düsteren Zypressen fand ich einen Sitz, während im Innern des Hauses noch immer die vier

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