Die heimliche Päpstin
Gefühle nicht nachempfinden, obwohl ich sie zu verstehen versuchte, sah die Gefahr, von der Martinus gesprochen hatte. Gleichwohl: Ihre Augen leuchteten derart, daß ich begriff, wie überwältigt sie war. Ich spürte sogar einen kleinen Stich aus Neid.
Weil sie ein Bad nehmen wollte, schälte sie sich aus ihren Decken. Sie hatte nackt geschlafen und rief nach den Kammerfrauen, die das Wasser bereiten sollten. Ein weiches Licht fiel auf ihren Körper, der mir während der vergangenen Tage oder Wochen voller, fester und schöner geworden zu sein schien. Noch zeigte ihre Haut kaum Spuren des Alterns; ihre Brüste hatten die beiden Töchter nicht stillen müssen und sich besser gehalten als meine.
Als ich sie so, ein Bein spielerisch angewinkelt, wie eine Statue der Venus vor mir stehen sah, schämte ich mich plötzlich meines eigenen Körpers. Nicht wegen der schweren Brüste, sondern weil ich mich beschmutzt fand, von damals für immer entstellt und gebrandmarkt. Immer wieder suchte ich an meinem Körper die Spuren von Mißbrauch und Schändung, entdeckte keine und war dennoch der Meinung, sie seien sichtbar für jeden, der mich liebte und erkennen wollte. Mein nackter Körper schien nichts als eine fremde Masse, die dem Befehl meines Willens gehorchte, darüber hinaus aber nicht zu mir gehörte. Wenn ich mich abends entkleidete, vermied ich den Blick an mir herunter, ich benutzte nur selten den Spiegel, den Theodora mir geschenkt hatte.
Sie badete ausgiebig und schminkte sich anschließend wie Kleopatra. Kaum hatte sie sich in ein verführerisches Wesen mit schwarzumlegten Augen verwandelt, deren Ränder sich über die Schläfen zogen, bestand sie darauf, auch mich anzumalen. Nach getaner Arbeit hielt sie mir stolz einen ihrer kostbaren Spiegel vor: Ich sah eine männermordende Sphinx vor mir, eine erstarrte Tiermaske. Theodora wunderte sich über das, was ich in mir sah, und lachte mich aus.
»Du bist schön, weißt du das?« sagte sie.
Ich schüttelte den Kopf, wagte nicht mehr, in den Spiegel zu schauen, weil es mich sonst vor Abscheu zerrissen hätte.
»Du hast schwarze, seidige Haare und Augen wie Kohle, und dein Gang ist so anmutig wie der einer Gazelle.«
»Im kaiserlichen Tiergarten meiner Heimat gab es Gazellen«, antwortete ich. »Wenn ich mich recht erinnere, staksten sie.«
Theodora lachte laut auf. »Aber sagt man nicht so?«
Ich schwieg und rieb mir die schwarzen Striche aus dem Gesicht.
»Denkst du manchmal an Sergius, den Vater deines Kindes?« fragte Theodora unvermittelt und schaute mich dabei ernst an.
Ich versuchte, ihre Frage zu überhören.
»Oder an das, was vorher geschehen ist?«
»Nein, nie«, antwortete ich barsch.
Sie glaubte mir nicht, das sah ich.
»Ich an deiner Stelle wäre von Rache besessen. Ich würde nicht eher ruhen … Verstehst du das?«
»Rachegefühle zerfressen dich selbst«, antwortete ich, noch immer ruppig. »Ich versuche, das Gute der Gegenwart zu sehen, meine Seele ruhig und gelassen zu halten, mich an den Kindern zu freuen.«
»Aber du hast doch längst die Rolle der Amme und Kinderfrau hinter dir gelassen, hast dich als weiblicher Procurator bewährt – wir könnten Martinus nach Hause schicken, weil wir jetzt dich haben.«
»Bitte nicht!« entfuhr es mir viel drängender, als ich beabsichtigte.
»Aha«, rief Theodora triumphierend. »Da hat sich doch jemand in dein Herz geschlichen.«
Als ich nicht antwortete, reichte sie mir einen Kamm und bat mich, ihre Haare auszukämmen und anschließend zu einem Kranz zu flechten.
»Er paßt nicht zu der Art, wie du dich geschminkt hast«, sagte ich.
»Du hast recht, ich sehe entstellt aus.« Sie winkte eine ihrer Kammerfrauen herbei. »Entferne mir diese Striche wieder aus dem Gesicht! Nimm dazu das Rosenöl, ich will gut duften.«
Als ich sie allein lassen wollte, um nach den Kindern zu schauen, bestand sie darauf, daß ich blieb. »Wie findest du den Bischof von Bologna?« Aus der befehlenden Herrin wurde unvermittelt eine junge Frau mit zitternder Neugier in der Stimme.
»Er wirkt sympathisch und liebenswürdig«, antwortete ich.
Da brach es zum zweiten Mal aus ihr heraus: Wie sie beide bei ihrer ersten Begegnung gewußt hätten, daß sie füreinander bestimmt seien, obwohl Johannes Bischof sei und sie verheiratet. Keine umständlichen Worte hätten die Sprache ihrer Körper verstellt, die Lust habe sie schier zum Wahnsinn getrieben. »Ich kann keine Rücksicht auf Theophylactus nehmen oder
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