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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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darauf, daß man mich als Hure verschreien wird. Es gibt etwas, das stärker ist als Vernunft und Vorsicht.«
    Sie schaute mich forschend an und wünschte sich Bestätigung und Unterstützung, das spürte ich. Ich jedoch schwieg.
    »Als ich Theophylactus kennenlernte, war es ähnlich. Damals waren wir jünger und gaben uns ununterbrochen der Liebe hin. Ich war sehr gelenkig, mußt du wissen, hatte meine Akrobatenkunst noch nicht verlernt. Sie machte Theophylactus ganz verrückt.« Selbstvergessen lachte sie.
    Bei ihren Worten war in mir eine Abscheu gewachsen, die mir den Atem nahm. Ich fühlte Schmerzen im Unterleib, Krämpfe und Stiche, dann ein wütendes Brennen, und schloß die Augen. Doch nun tauchten die Gesichter meiner Peiniger auf, ihre blutunterlaufenen Augen, ihre stinkenden Zähne, die Zungen, die sich wie fette Wülste im aufgerissenen Rachen wälzten.
    »Was ist mit dir?« hörte ich von ferne eine Stimme rufen.
    Ich öffnete die Augen und schaute der erschrockenen Theodora ins Gesicht.
    »Es geht schon«, flüsterte ich.
    Sie befahl, mir einen Kräuteraufguß zu reichen, der Wärme und Leichtigkeit durch meine Glieder fließen ließ und mich beruhigte. Als ich nach einer Weile wieder meine Sinne beisammen hatte, fragte ich: »Was für eine Akrobatenkunst?«
    Das Wort hatte sich in mir festgehakt, und ich fühlte mich in das Hippodrom von Konstantinopel zurückversetzt, umgeben von Tausenden von Menschen, die wie ein einziges Riesenwesen atmeten und stöhnten, aufsprangen und schrien, wenn sich dort unten die Rennpferde aus den Kehren drängten, wenn ein Wagen umkippte und die trommelnden Hufe der rasenden Tiere den Lenker zermalmten. Zwischen zwei Rennen vollführten Gaukler ihre Kunststücke, balancierten leicht bekleidete Frauen oder Kinder auf den Schultern der Männer, schlugen Salti, verbogen sich, bis ihre Körper auseinanderzubrechen drohten.
    »Du glaubst, daß ich dem tuszischen Herrscherhaus entstamme?«
    Ich schaute sie nur forschend an.
    Theodora lachte leise. »Womöglich war meine Familie vor Urzeiten vornehm, damals, als sie aus dem byzantinischen Reich nach Italien zog, um zu helfen, das nach den Gotenkriegen verwüstete Land zu besiedeln und zu verwalten.«
    »Du entstammst wie ich und Theophylactus einer byzantinischen Familie?« Ich fühlte mich verwirrt, weil ich zu ahnen begann, daß uns mehr verband, als ich bisher wußte. Natürlich war der Name Theodora griechischen Ursprungs, doch war er längst in Rom heimisch geworden, wie zahlreiche andere griechische Namen. Daher hatte ich mir nichts dabei gedacht.
    »Mein Vater verwaltete einen großen Fronhof in der Nähe des Klosters Farfa. Einer seiner Vorfahren war dort eingesetzt worden. Meine Mutter stammte aus Sizilien, hatte aber vor den Sarazenen fliehen müssen.« Theodoras Miene wurde sehr ernst, ihre Stimme kalt und zugleich brüchig. »Als ich sieben Jahre alt war, wurde die Domäne von den Sarazenen überfallen. Ich spielte gerade mit anderen Kindern in der Nähe. Wir hatten an einem Berghang eine Höhle gefunden und uns dort ein kleines Lager eingerichtet – plötzlich brach diese Horde ein: Männergebrüll, aufwiehernde Pferde, kreischende Hühner und wildes Hundegebell. Ich hörte unsere Männer ihre Kinder rufen, Frauen schrien, und dann prasselten schon die ersten Flammen aus den Dächern. Ich starrte aus dem Eingang unserer Höhle nach unten. Der schwarze Rauch verdeckte immer wieder das zusammengetriebene Vieh, die durchbohrten Männer und die Frauen, die zu entkommen versuchten oder sich verzweifelt wehrten. Nein, ich kann das nicht schildern.
    Wir Kinder blieben zitternd in unserer Höhle, jeden Augenblick konnten wir entdeckt werden, hörten nur noch das Tosen der Flammen und Schreie, die nichts Menschliches mehr an sich hatten. Es muß mein Vater gewesen sein, den sie folterten, damit er ihnen ein Versteck verrate. Vielleicht taten sie es auch nur aus Lust am Quälen, die Bestien …«
    Theodora schwieg lange vor Erregung. Ihre Lippen und Wimpern zitterten, ihr Gesicht war bleich, die Augen wie tot.
    »Du brauchst es nicht zu erzählen«, flüsterte ich und legte ihr den Arm um die Schulter. »Ich weiß, wovon du sprichst.«
    »Irgendwann stürzte ein Mädchen aus der Höhle, alle anderen folgten ihm in Panik. Ich weiß nicht warum. Vielleicht hielten sie die Angst vor dem Entdecktwerden nicht mehr aus oder glaubten, an dem süßlich stinkenden Rauch zu ersticken. Sie liefen direkt in ihr Verderben. Nur ich

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