Die heimliche Päpstin
Domänen werden?« fragte ich in die angespannte Stille. »Wir müssen das Land wieder bewirtschaften lassen. Wenn nichts geschieht, wird Rom in absehbarer Zeit hungern.«
»Aglaia hat recht«, pflichtete mir Martinus bei. »Wenn Rem hungert, wird es Aufstände geben, das Volk wird die Häuser der Reichen plündern. Unser Portal zum Beispiel hält einem ernsten Ansturm nicht stand. Was dann?«
Erneut trat eine lange Pause ein, während Alberichs Söldner weintrinkend ihre Waffen säuberten und schliffen.
»Wir müssen die Menschen im Umland von Rom ganz anders siedeln lassen«, unterbrach ich das ratlose Schweigen. Theophylactus starrte mich an, als hätten die Erlebnisse der letzten Tage meinen Geist verwirrt, Alberich lachte wie über einen guten Witz. Ich ließ mich jedoch nicht entmutigen. »Die Dörfer und Domänen in der Ebene sind nicht zu verteidigen, schon gar nicht die Einzelgehöfte. Die Menschen müssen auf die Berge ziehen und dort ihre Siedlung mit einer Mauer oder zumindest einem Palisadenwall sichern. Auf diese Weise können sie sich besser verteidigen.« Als niemand widersprach, fuhr ich fort: »Theophylactus muß ihnen Schutz versprechen, und dafür sollen sie zahlen. Je mehr sie zahlen, desto besser der Schutz. Überall sollten Fluchtburgen entstehen, deren Procurator mit seiner Besatzung dann gleichzeitig dafür sorgt, daß die Abgaben regelmäßig fließen. Insbesondere die Unfreien werden zum Burgenbau und allen anderen nötigen Arbeiten herangezogen.«
»Ich glaube, Aglaia hat recht«, sagte Martinus, »auch wenn ihr Gedanke ungewöhnlich, sogar schwer zu realisieren klingt. Wer verläßt schon gern den Ort, an dem er geboren ist – aber wenn nur noch schwarze Balken stehen …«
Dankbar lächelte ich ihn an und fuhr fort: »In Rom sollten wir etwas Ähnliches auf die Beine stellen. Unsere alte domus an der Via Lata leidet noch immer unter den Schäden des Erdbebens. Innerhalb der aurelianischen Mauer gibt es weite Flächen, auf denen Wein, sogar Getreide angebaut wird, wo Obst- und Olivenbäume stehen und Kühe, Ziegen und Schafe grasen. Wie ich den alten Urkunden entnommen habe, besitzt die Familie des Theophylactus große Flächen auf dem Aventin. Dort sollten wir eine villa , mehr noch, ein palatium bauen, mit Stallungen und einem Gebäude für die Wachen. In der Via Lata können die Geschäfte abgewickelt werden, die Verwaltung der Walk- und Getreidemühlen, die gleich nebenan auf unserem Gelände am Tiber aufgestellt werden müßten.«
Theophylactus schüttelte nur noch den Kopf, meine Begeisterung jedoch nahm zu. »Wir haben ein altes Privileg, die Salinen bei Portus und Ostia zu betreiben und außerdem für Transporte auf dem Tiber Zölle zu nehmen. Wenn wir den Fluß schützen und mit ihm die Salinen, kann wieder regelmäßig produziert und gehandelt werden. Alberich wird seine Truppe vergrößern und dadurch seinen Einfluß erweitern. Auch in Rom selbst wachsen ihm Schutzaufgaben zu. Seit langem kann man sich nicht mehr ohne Gefahr auf die Straße trauen, überall lauert Diebsgesindel, ganze Räuberbanden treiben ihr Unwesen und lassen kaum einen Pilger ungeschoren. Wir versprechen den Menschen in Rom und ebenso den Pilgern Sicherheit – und lassen sie dafür bezahlen. Davon profitiert jeder. Bis auf die, die sich unrechtmäßig und bisher weitgehend ungestraft am Hab und Gut ihrer Mitmenschen vergreifen.«
Natürlich dachte ich nicht nur an die Räuber in Rom und im Umland, ich dachte an all die Menschen, die sich das Recht herausnahmen, sich durch Ausplünderung der Wehrlosen zu bereichern.
»Du meinst, ich soll auf dem Aventin einen Palast bauen?« fragte Theophylactus.
Ich nickte.
»Woher soll ich das Geld nehmen?«
»Und wie soll ich die Männer bezahlen, die überall zum Schutz eingesetzt werden?« warf Alberich ein. »Bevor die Handwerker und Pilger mir einen Denar in die Hand drücken, muß die Schutztruppe vorhanden sein.«
»Wer bezahlt sie denn jetzt?«
»Der Jude.«
»Richtig«, sagte ich. »Der Jude leiht uns Geld, das wir später vermehrt einnehmen. Theophylactus zeigt durch seinen Palast auf dem Aventin, daß er nicht nur irgendein vir nobilis ist wie die anderen auch, wie Sergius, Gregorius, Gratianus, Leo, Crescentius, Benedictus und wie sie alle heißen, sondern daß er der illustrissimus ist, Senator, Judex und Konsul, und als solcher in Rom das Sagen hat. Und Markgraf Alberich zeigt durch seine Truppe, daß ohne euch und eure Zustimmung keine
Weitere Kostenlose Bücher