Die heimliche Päpstin
Gefühle selbst in Anwesenheit ihres Gatten kaum zügeln. Theophylactus war von seiner neuen Machtstellung derartig in Beschlag genommen, daß er kaum Zeit für anstrengende Eifersuchtsattacken aufbringen konnte. Er schien sich mit der Tatsache abgefunden zu haben, daß die kleine Akrobatin, die er gerettet und später geheiratet hatte, sich einem Liebhaber hingab.
Gelegentlich fragte ich mich, warum Theophylactus nicht einfach Alberich – oder einen gedungenen Mörder aus Roms Mietskasernen – beauftragte, seinen Nebenbuhler aus dem Weg zu räumen. Ich denke heute, daß er Theodoras Rache fürchtete. Ein anderer Grund mag darin gelegen haben, daß sie ihn zwar unverblümt betrog, wenn Bischof Johannes in Rom weilte, daß sie sich aber zu Zeiten, in denen der Bischof in Bologna war, durchaus nicht zierte, sich ihrem Manne hinzugeben. Und daraus wurden keine langweiligen Augenblicke routinierter Liebesverschmelzung, sondern Ausbrüche angestrengter, womöglich sogar neuentdeckter Akrobatik.
Ich war mit der Kontrolle der wirtschaftlichen Unternehmungen derartig angefüllt, daß ich mich wenig um unsere Kinder kümmern konnte. Die beiden Mädchen hörten auf zu lernen, schminkten sich dafür häufig und tanzten voreinander und vor Alexandros, der seine endlose Lektüre beenden und sie bewundern mußte. Wenn Marozia sich vor ihm drehte und ihre Hüften schwenkte, wurde sein Blick schwer vor Sehnsucht, und in ihrem Blick lag eine unverhohlene Aufforderung, sie zu begehren – obwohl sie beide in einem Alter waren, in dem die fleischliche Lust erst zu knospen begann.
Eines Tages – es war heller, lichtdurchfluteter Nachmittag – hörte ich Theodora in ihren Gemächern Johannes empfangen. Kein Taubengurren konnte übertönen, was sich in lärmender Leidenschaft abspielte. Ich war erst darauf aufmerksam geworden, als ich Marozia suchte und sie schließlich am Vorhang stehen sah, der das Gemach ihrer Mutter vor neugieren Blicken schützte. Ich schlich näher. Marozia nahm mich nicht wahr, so gebannt schaute sie dem Treiben der Liebenden zu. Als ich mich leise räusperte, fuhr sie erschrocken zusammen. Die Akrobaten der Liebe bemerkten zum Glück nichts. Ich wollte Marozia wegziehen; sie weigerte sich jedoch, von ihrem Beobachtungsposten zu weichen. Um von Theodora nicht als Zuschauerin entdeckt zu werden, zog ich mich zurück, warf indes mehrfach einen Blick auf Marozia, die noch immer das Treiben ihrer Mutter verfolgte.
Plötzlich ertönte ein erschrockener Schrei. Ich spähte um die Ecke des Gangs und sah gerade noch, wie Marozia in das Zimmer ihrer Mutter gezogen wurde. Als ich hinzuspringen wollte, warnte mich eine innere Stimme, einzugreifen. Ich hörte Theodora lachen und dann die ruhige, wohltönende Stimme des Bischofs. Eine von seltsamen Geräuschen und Lauten unterbrochene Stille folgte.
Ich überwachte den Vorhang, erstickte dabei fast an der Erstarrung, zu der ich mich zwang.
Schließlich erschien Marozia, nackt, lächelnd – ein Körper mit den ersten Sprossen erwachender Weiblichkeit, mit kleinen Hügelchen auf der Brust und dunklen Fäden, die noch keine Scham bedecken konnten. Sie sprang wie ein Kind auf mich zu und drückte sich an mich. In ihrem Antlitz las ich weder Ekel noch Entsetzen, keine Abscheu, keine Angst – eher etwas verklärt Engelhaftes. Da ich kein Kleidungsstück zur Hand hatte, führte ich sie, an mich gedrückt, zu den Gemächern der Kinder. Als erste entdeckte ihre Schwester Theodora sie und brach in kreischendes Gelächter aus. Dann erschien das neugierige Gesicht meines Sohnes. Sein Blick wanderte langsam über Marozias Körper, bis sich der dunkle Schatten der Scham über seine Augen legte und er sich abwandte.
26
Noch heute sehe ich seine Augen vor mir, diesen Blick, in dem sich aufkeimendes Begehren im Schatten der Scham verbarg. Alexandros kam auch später nicht auf Marozias Nacktheit zu sprechen, während die kleine Theodora ihre Schwester und mich bestürmte, zu erzählen, was vorgefallen sei. Marozia jedoch setzte eine hoheitlich-verächtliche Miene auf, die Theodora heftig reizte, und umgab sich mit einer Mauer aus Schweigen.
Am Abend saß sie im Peristyl, träumerisch versunken an eine Säule gelehnt, ihren Blick auf das kleine Wasserbecken mit der Venusfigur gerichtet. Um sie flackerten einige Fackeln und ließen die Schatten tanzen, durch das Viereck des Himmels funkelten die Sterne herab, und aus dem Krug, den die Venus über ihrer Schulter leerte, floß
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