Die heimliche Päpstin
war weder durch eine spitze Klinge noch durch wirksames Gift aus der Welt zu schaffen, im Gegenteil, Alberichs Männer beherrschten mit Hilfe ihrer Schwerter die Straßen der Stadt und konnten jederzeit die Adelsvillen stürmen, die vatikanischen Gebäude oder das Patriarchum im Lateran besetzen. Weil dies so war, akzeptierte mancher der Formosus-Anhänger, der vor Jahren noch Sergius ins Exil getrieben hatte, die neuen Machtverhältnisse und wechselte die Seiten. Andere versprachen wohlwollende Neutralität.
Auch Papst Benedictus konnte nicht leugnen, daß die Horden der Ungarn Berengar, den neuen Anwärter auf den Kaisertitel, vernichtend geschlagen hatten, so daß seine Macht und sein Königsheil vorerst zerbrochen war. Die Tuszier jedoch, die zusammen mit Berengars Gegnern im Norden Italiens den Provencalen Ludwig ins Land gerufen hatten und die seit langem mit Theophylactus und Alberich paktierten, geleiteten ihre Galionsfigur in die ewige Stadt, wo er von Theophylactus und seinen Anhängern als der zukünftige Kaiser mit großen Ehren empfangen wurde. Papst Benedictus beugte sich den Machtverhältnissen und krönte in der Basilika des heiligen Petrus während einer weihrauchgeschwängerten, brokatschweren, seidendurchrauschten und waffenblitzenden Zeremonie Ludwig zum Kaiser des römischen Reichs.
Alle wichtigen Familien nahmen an der Feier teil, auch die Frauen, sogar manche Diener und Sklaven wie Martinus und ich. Ich hatte die Kinder zu beaufsichtigen. Alexandros beobachtete das Geschehen mit neugierigen Augen, und Marozia zeigte sich begeistert von dem feierlichen Prunk. Sie wolle auch einmal gekrönt und gesalbt werden, flüsterte sie mir zu, entweder zur Päpstin oder zur Kaiserin.
»Päpstin?« flüsterte ich zurück und mußte ein Lachen unterdrücken. »Das wird nicht möglich sein, wie du weißt.«
Marozia zog eine Schnute.
»Aber vielleicht kannst du ja Kaiserin werden.«
»O ja!« rief sie so laut, daß sich einige Teilnehmer der Feier umdrehten. Marozia lächelte ihnen zu und neigte huldvoll ihr Haupt, als wäre sie bereits Kaiserin, und hob ihre Hand, als wollte sie den päpstlichen Segen erteilen.
In unserer Nähe entdeckte ich, nicht ohne Unbehagen, Sergius, den Vater meines Sohnes. Als Verbannter hatte er offensichtlich nicht gewagt, unter den Kardinälen und Bischöfen im Chor Platz zu nehmen, sondern saß neben Alberich und dessen Hauptleuten und mußte sich wohl einen der berüchtigten Papstwitze anhören. Er schien seine Exilierung, vermutlich im Vertrauen auf Alberichs Schwert, beenden zu wollen, daher verzog er seine Lippen zu einem gequälten Lächeln.
Im Gegensatz zu Sergius saß der Bischof von Bologna im Pulk der von Norden angereisten kirchlichen Würdenträger mit heiterer, regelrecht glücklicher Miene. Ich warf einen Blick auf Theodora, die in der ersten Reihe Platz genommen hatte, kerzengerade unter ihrem perlenbestickten Schleier und der seidenen Stola. Obwohl ich von meinem Sitz aus ihre Augen nicht erkennen konnte, entging mir nicht, daß sie immer wieder verliebt nach dem Bischof schaute.
Die Wahl des Kaisers bewies sogar dem verstocktesten Formosus-Anhänger, daß in Rom eine neue Zeit angebrochen war. Während der folgenden zwei Jahre des Pontifikats von Benedictus wurde der Palast auf dem Aventin so weit vollendet, daß unsere gesamte, stark gewachsene familia dort einziehen konnte. Unser altes Haus in der Via Lata wurde eine Kanzlei, von der aus die verschiedenartigen Unternehmungen, an denen Theophylactus beteiligt war, geleitet wurden. Zugleich richtete sich Alberich mit der Führung seiner Stadtmiliz dort ein.
Sergius war nach der Krönung mit Kaiser Ludwig und dem Markgrafen von Tuszien nach Lucca gezogen, wurde aber bald darauf abermals in Rom gesichtet, stets in Begleitung von Alberich, häufig auf dem Weg zum Aventin, zu dem prächtigen neuen Palast, der im Glanz edlen Marmors erstrahlte, in dem schlanke Säulen Innenhöfe rahmten, massige Säulen Dächer und Gesimse trugen, skulpturengeschmückte Friese und reichgeschmückte Kassettendecken.
Nicht nur Sergius verkehrte in unserem neuen weitläufigen Zuhause – wobei er mir und unserem Sohn, wenn er sich unbeobachtet fühlte, einen seiner verschatteten Blicke zuwarf –, auch Bischof Johannes, der nach der Kaiserkrönung offensichtlich viel im Vatikan zu erledigen hatte und häufig der Gemahlin des Konsuls seine Aufwartung machte.
Theodora war noch immer heftig in ihn verliebt und konnte ihre
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