Die heimliche Päpstin
geheimen Geschäften nachgegangen, hatten sich verirrt und waren wahrscheinlich verhungert.
Während wir voranschritten, öffneten sich immer wieder neue Gänge, bis wir schließlich eine Art Raum betraten, an dessen Wänden ich ausgehöhlte Nischen entdeckte, und ich wußte, daß wir uns jenseits der Aurelianischen Mauer befanden, in Roms Katakomben, in denen die Urchristen ihre Toten beerdigt hatten. Von allen Seiten grinsten mich Totenköpfe an, neben ihnen stapelten sich Gebeine.
Theodora ließ sich nicht aufhalten. Nach einer Weile erreichten wir eine weitere Beinhalle voller Knochen und Schädel. Konzentriert schritt sie die Wände ab, hielt dabei ihre Hand über die Skelette in den Grabnischen. Bevor ich mich's versah, griff sie nach einem Totenkopf, der ziemlich schwer zu sein schien. Ich schaute genauer hin: Hinter den leeren Augenlöchern entdeckte ich ein graues Tuch, und bevor ich noch etwas sagen oder tun konnte, schlug Theodora den Schädel gegen die Wand. Er zerbrach in mehrere Teile. Zugleich hörte ich ein Klimpern. Sie reichte mir einen Beutel, hob die Teile des Schädels auf, legte sie an ihre alte Stelle zurück und winkte mir, zu folgen.
Schweigend betrat sie einen anderen Gang als den, durch den wir gekommen waren. Als ich sie darauf hinwies, nickte sie nur bestätigend. Nach mehreren Abzweigungen wurden jedoch ihre Schritte langsamer, und sie mußte sich an die Wand lehnen. Mich durchfuhr ein Hitzestrahl der Angst. Wir werden sterben, dachte ich.
Auf Theodoras Stirn trat Schweiß. »Es geht schon wieder«, flüsterte sie und wankte weiter.
Als ich sie zu stützen versuchte, fuhr sie mich an: »Laß das! Trag lieber das Gold!« Sie hörte nicht auf zu wanken und mußte sich schließlich in den Staub setzen. Ihre Augen verdrehten sich, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Ich schüttelte sie, und sie kam wieder zu sich.
»Wirst du den Ausgang finden?« fragte ich voller Angst. »In dieser Unterwelt möchte ich nicht sterben!«
Sie schaute mich mit einem fast erloschenen Blick an.
»Vater, was haben sie aus dir gemacht?« flüsterte sie. »Mutter, warum finde ich dich nicht?«
»Ich bin Aglaia!« rief ich.
»Euer Schweigen rettete mir das Leben«, stieß sie kurzatmig aus, beschwörend, flehend. »Sie haben den Schatz nicht gefunden. Noch im Tod werde ich euch dankbar sein.«
Erneut verdrehte sie die Augen und verstummte.
25
Es gelang mir damals, Theodora wieder ins Leben zurückzurufen, wir fanden in die Via Lata zurück, und die ersten hundert Goldmünzen überzeugten nicht nur Aaron von der Existenz des Goldschatzes, so daß er bereit war, seine Darlehen auszuzahlen, sie erzeugten auch ein Gerücht von dem bisher geheimen, jetzt aber offenkundigen grenzenlosen Reichtum unseres Hauses. Dieses Gerücht verbreitete sich in der Stadt, wie mir der hervorragend informierte Martinus berichtete, gewann weitere Nahrung, als der Palast auf dem Aventin aus seinen Fundamenten wuchs, als man die Mühlen am Tiberufer instandsetzte und gleich nebenan Bäckereien baute. Es blieb auch nicht verborgen, daß wieder Getreide sowie andere Naturalabgaben und Vieh aus Latium zum Haus des Theophylactus gebracht wurden. Die Ölpressen begannen zu arbeiten, die Mühlen zu mahlen, die ersten Brote wurden gebacken und kostenlos unter die Armen verteilt, die Müller und Bäcker stellten sich unter den Schutz des Senators.
Man hörte davon, daß eine Truppe des Alberich von Spoleto täglich die Straßen nach Latium abreite und jedem Räuber, den sie erwischte, ohne Umschweife zuerst die Hand und dann den Kopf abschlage. Die Via Francigena, die Pilgerstraße, und ihre Hospize wurden bis nach Tuszien hinein gesichert, und man erzählte sich, der Markgraf von Tuszien stehe in engem Kontakt mit Theophylactus und Alberich, und auch der verbannte Diaconus Sergius sei in Rom gesichtet worden.
Neugierige pilgerten zur Baustelle auf den Aventin und berichteten von dem raschen Fortschritt des Palasts, was zum einen Teil darauf beruhte, daß die Materialien, insbesondere der Marmor und die Säulen, aus alten römischen Ruinen herausgebrochen wurden, zum anderen darauf, daß die Handwerker pünktlich ihren Lohn erhielten, in Denaren wie Lebensmitteln – was ungewöhnlich war und auffallend viele fleißige Männer herbeiströmen ließ. Auch die Schutztruppe des Alberich wuchs, je erfolgreicher sie die Sicherheit in Stadt und Land verbesserte. Daß sie für ihre Leistung einen Beitrag von den Geschützten verlangte, war
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