Die heimliche Päpstin
Gemüsegärten und kleine Weinfelder umgewandelten Circus Maximus ›genießen‹ konnten, ertrug ich die von Unkraut überwucherte, vor Abfall stinkende und von Mückenschwärmen heimgesuchte Trümmerstadt Rom noch schlechter als zuvor. Nicht einmal die römische Bischofskirche im Lateran, neben der Basilika des heiligen Petrus das Zentrum des christlichen Glaubens, war nach dem Erdbeben wieder aufgebaut worden. Immerhin hatten wir einiges erreicht, die Lethargie aufgehalten, durch die alles noch mehr verfiel, Räuberei und Bettelwesen zurückgedrängt, die Trunksucht, die sittliche Verwahrlosung – aber es brauchte herkulische Kräfte, diesen Augiasstall auszumisten. Ich war nur eine schwache Frau, und weder Theophylactus noch Sergius ähnelten Herkules.
Wenn nun Theodora und Theophylactus mich wirklich freigeben würden?
»Was soll mit meiner Mariuccia geschehen?« fragte ich.
Martinus schaute erstaunt auf, weil er mit einer solchen Frage wohl nicht mehr gerechnet hatte. »Sie wird dir bald über den Kopf wachsen.« Der Mond spiegelte sich in seinen Augen. »Und dich dann nicht mehr brauchen.«
»Sie wird mich noch lange brauchen«, erwiderte ich – ohne zu wissen, welch prophetische Worte ich sprach.
»Laß mich nachdenken!« sagte ich schließlich und stand auf.
Martinus ließ zögernd meine Hand los und schaute zu mir hoch. »Du denkst zuviel.«
»Niemand kann zuviel denken.«
»Fühlst du denn gar nichts?«
»Was für eine Frage!«
Ich wandte mich ab und schritt langsam über den Kiesweg zur Loggia, drehte mich noch einmal um und winkte Martinus' Schatten. Als ich die Gemächer der Kinder betrat, vergewisserte ich mich, daß sie bereits schliefen, Marozia diesmal nicht neben ihrer Schwester, sondern an Alexandros' Seite. Ich hielt meine Kerze über sie und schaute in ihre Gesichter.
Seit langem hatte ich nicht mehr eine solche Unruhe gespürt. Würde meine kleine Mariuccia mich wirklich bald nicht mehr brauchen? Liebte sie Alexandros so wie er sie? Durfte sie ihn überhaupt lieben? Wie würde Theodora reagieren, wenn sie davon erführe? Und Theophylactus, der sicherlich bereits eine Heiratsallianz plante?
Mir fiel noch etwas auf, was ich bisher so nicht wahrgenommen hatte und auch nicht wahrnehmen wollte: Alexandros begann, seinem Vater ein wenig zu ähneln.
Die Unruhe ließ mich während der Nacht kaum schlafen. Der Mond schickte einen Lichtstreifen in meinen Raum, der langsam an der Wand entlangwanderte. Die ersten Hähne schrien. Ich war wieder zu Hause in Konstantinopel, die Sonne ergoß sich in glühenden Wellen über das Land. Als ich die Augen aufschlug, war es dunkel in meinem Zimmer, das Licht des Monds verschwunden.
Am nächsten Morgen wagte ich Martinus kaum anzuschauen.
Die Tage und Wochen verstrichen mit ungewohntem Streit zwischen Theodora und ihrem Mann, bei dem es um den zukünftigen Papst ging. Theophylactus zweifelte nicht daran, daß Sergius trotz aller ›Verzögerungen‹ bald den Thron Petri besteigen werde; Theodora dagegen lachte höhnisch über den ›ewigen Kandidaten‹ und wollte lieber Bischof Johannes als pontifex maximus sehen, obwohl man auch bei dieser Wahl gegen das kanonische Recht verstoßen müsse.
»Du willst ihn ja nur in deiner Nähe haben, damit ihr eure Wollust austoben könnt«, warf ihr Theophylactus vor.
»Du hast recht«, entgegnete sie kalt. »Außerdem ist er der fähigere Mann. Sergius ist machtgierig und haßerfüllt, er kennt keine Skrupel und scheut vor keinem Mord zurück. Selbst seine Anhänger lieben ihn nicht, deswegen wird er nicht gewählt, und ohne das Papstamt kann er uns nicht mehr nützen.«
»Wie soll Johannes uns nützen? Er ist nicht einmal ein Römer und hat in der Stadt keine Hausmacht.«
»Doch, er hat uns.«
»Sergius wird ihn umbringen lassen, ohne daß wir etwas dagegen tun können.«
Die Lautstärke der Auseinandersetzung hatte sich bis zu diesem Punkt gesteigert und fiel nun in sich zusammen, weil Theodora nicht antwortete. Ihr war aufgefallen, daß ich mich im Raum befand; sie schaute mich an, zornig und zugleich voller Angst.
»Was sagst du dazu?«
Ich empfand in diesem Augenblick einen so unaussprechlichen Ekel vor diesen Macht- und Mordspielen, daß ich keinen Laut herausbrachte. Ich dachte nur an Martinus und fragte mich, warum ich seinem Vorschlag nicht längst gefolgt war.
Theophylactus antwortete an meiner Stelle: »Es ist bereits alles abgesprochen.«
»Seit wann fühlst du dich an ein gegebenes Wort
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