Die heimliche Päpstin
»Wir können nicht länger warten«, rief sie mir heftig erregt entgegen, kaum hatte ich ihr Schlafgemach betreten. »Wir müssen handeln. Sergius beginnt, uns zu erpressen.«
Theodora, die beim Schminken war, schickte ihre Kammerfrau hinaus, stellte ihr Töpfchen mit der Bleiweißsalbe weg, schob ihr Talkumpuder beiseite und winkte mich so nah zu sich, daß sie leise sprechen konnte, was ihr allerdings auf Grund ihrer Erregung nicht immer gelang.
»Er ist ein Schwein: Ohne uns wäre er nie Papst geworden, sondern in seinem Exil verrottet, und jetzt läßt er den Hinweis in seine ruchlosen Reden einfließen, das Kreuz des Belisar gehöre der Mutter Kirche – und erinnert mich unverhohlen daran, daß er einen Wunsch frei habe.«
»Und was wünscht er sich?«
»Das ist es ja!« Theodora war aufgesprungen und rannte zur Tür, die seit neuestem ihren Schlafraum verschloß – zuvor schwang nur ein Vorhang hin und her, wegen der besseren Durchlüftung –, schaute, ob jemand lauschte, kam zurück und zischte mir zu: »Er will eine Tochter aus unserer Familie als Opfergabe, verstehst du?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Er will Marozia entjungfern!«
Das konnte nur ein schlechter Scherz sein.
»Sollte Marozia nicht Alberich heiraten?« Ich spürte eine bedrängende Hitze in mir aufsteigen, weil ich an Alexandros dachte, an die Liebe der Kinder, die keine Kinder mehr waren, die sich womöglich längst die Treue geschworen hatten …
»Das ist es ja! Die Heirat ist überfällig. Ich zögerte sie nur heraus, um Alberich … egal! Außerdem ziert sich Marozia.«
»Und was sagt Theophylactus dazu?«
»Der ist ebenso empört – vor allem wegen des Kreuzes. ›An ihm hängt der Segen unseres Hauses‹, erklärt er. ›Nur über meine Leiche!‹ Und er meint es ernst. Wenn Sergius ihn öffentlich als Dieb anprangert, gibt es Krieg.«
»Aber Krieg will niemand.«
»Nein.«
»Und?«
»Soll ich etwa meine älteste Tochter einem alten Mann ins Bett legen? Glaubst du, daß Alberich sie dann noch nimmt? Er läßt sich ohnehin nicht mehr hinhalten. Wir dürfen ihn jedoch unter keinen Umständen als Verbündeten verlieren. Er ist das Schwert, das unseren Ansprüchen Nachdruck verleiht.«
Ich dachte weniger an Alberich als an meine eigenen Erfahrungen mit Sergius, vor allem aber dachte ich an Alexandros und Marozia – und verstand nicht, was den geilen Alten trieb. Er mußte mittlerweile über sechzig Jahre zählen, hatte alles erreicht, was er in seinem verbissenen Kampf gegen Formosus angestrebt hatte, lebte in neuerstandenem Prunk im Lateranpalast, in Räumen, deren Wände Maler aus dem byzantinischen Reich ausgeschmückt hatten, in Gewändern aus bester Seide und Brokat, er aß von silbernen Tellern und trank seinen Wein aus geschnitzten Trinkhörnern und sogar Gläsern, die in Gold eingefaßt waren. Er umgab sich mit einer Musikantengruppe und ließ junge Sklavinnen tanzen, die ihn anschließend in Betten, deren Vorhänge mit Goldfäden durchzogen waren, auf seidene Kissen betteten, seine müde und mürbe gewordene Haut walkten und kneteten, ihn mit Öl salbten, bis sie auf seinem Sporn reiten konnten – all dies bildete den täglichen Klatsch … Warum war er nicht mit den Sklavinnen zufrieden, die ihn umgurrten, warum wünschte er sich eine Jungfrau, deren Schönheit durch ihren Stolz und ihren herrschaftlichen Anspruch noch erhöht wurde, die aber einen eigenen Willen zeigte, dessen Stärke dem seinigen durchaus entsprach?
Ich sagte nur: »Ich kann es nicht glauben.«
»Wir wollten es auch nicht glauben.« Theodoras Stimme war wieder lauter geworden. »Es gibt noch etwas anderes, was ich befürchte, wenn wir Sergius nicht zu Willen sind: Er bringt es fertig und läßt Johannes ermorden. Wer seine beiden Vorgänger auf dem Gewissen hat – warum sollte er seinen Nachfolger verschonen? Sergius ist ein alter, bösartiger Wolf, der bestimmt nicht die Strafen der Hölle fürchtet, zumal er das Geld hat, alle Bußen der Welt zu bezahlen. Theophylactus kann ein Lied von seiner Verschwendungssucht singen – du weißt ja, was der Bau der Basilika kostet! Da bleibt für uns nicht mehr viel übrig!«
»Und was wollt ihr unternehmen? Es kann doch keiner ernsthaft seinen Erpressungswunsch in Erwägung ziehen. Außerdem würde sich Marozia nie darauf einlassen.«
»Ist sie überhaupt noch Jungfrau?« Theodoras Augen waren unversehens schmal geworden und ihr Blick berechnend. »Du bist ihre Vertraute, Lehrerin
Weitere Kostenlose Bücher