Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
Vom Netzwerk:
Papst Sergius plante, sich ein Denkmal zu setzen und den Schandfleck der unkrautüberwucherten Ruinen endlich zu beseitigen. Auch Konsul Theophylactus stiftete Hunderte von Solidi und dachte daran, die Kapelle seiner Familie in der Basilika mit einem Goldkreuz auszustatten. Es kam jedoch nicht dazu, was Papst Sergius zutiefst und mit bedeutungsvoller Miene bedauerte.
    Schatten über Schatten liegen auf den ersten Jahren seines Pontifikats, in denen Marozia und Alexandros erwachsen wurden. Dabei zeigte sich mehr und mehr, daß sie sich in ihrem Temperament auffallend unterschieden.
    Alexandros blieb der in sich gekehrte, nachdenkliche Junge, der wie seine Mutter die griechischen Philosophen und Schriftsteller liebte, der im Garten, im Schatten der Zypressen, dahinträumen konnte, der mich allerdings auch auf meinen Inspektionsreisen nach Latium und in die Albaner Berge begleitete und mir ein zweiter Martinus wurde.
    Marozia entfaltete ihre Schönheit und ihren Liebreiz, und trotz der weiten Tuniken, die sie trug, sah man im Fluß der anmutigen Bewegungen ihre Formen schwellen. Ach, wie arm ist die Sprache, wenn es darum geht, Schönheit zu schildern! Unsere Worte reihen sich wie kahle, abgestorbene Büsche, die an eine ergrünte und strahlend blühende Hecke erinnern sollen.
    Während Alexandros seiner Geliebten Verse von Homer oder auch Theokrit vorlas und erläuterte, sah man ihr an, daß sie mit ihm lieber ausgeritten wäre. Sie begleitete uns nicht auf unseren Inspektionsreisen, weil es zu gefährlich war, doch lauschte sie mit großem Interesse den Debatten, bei denen es um Machterhalt und Machtzuwachs in Rom ging, um Intrigen und Schachzüge zwischen den Adelsfamilien. Sticken haßte sie; für langes Kämmen, Flechten und Legen ihrer Haare brachte sie keine Geduld auf, auch die zeitraubenden Schminksitzungen ihrer Mutter machten sie nervös. Gleichwohl saß sie gern bei ihr und ließ sich, wie ich am Rande bemerkte, von der Leidenschaft zu Erzbischof Johannes erzählen. Erwähnte ihr Vater den Markgrafen Alberich und betonte, was für ein wichtiger Mann und starker Held er sei, zog sie nur spöttisch die Augenbrauen hoch.
    Was wußte ich damals wirklich von der Seele der Kinder? Dies frage ich mich heute. Alexandros verschloß vor mir seine Gefühle; Marozia erzählte zwar viel, doch bin ich mir nicht sicher, ob sie immer die Wahrheit sprach. Außerdem vermochte sie geschickt, wichtige Punkte im Dunkeln zu lassen.
    Theophylactus und seine Gemahlin übersahen die Liebe der jungen Menschen oder nahmen sie nicht ernst. Auf jeden Fall trennten sie die beiden nicht – obwohl sie ins heiratsfähige Alter hineinwuchsen und Marozia Markgraf Alberich Versprochen war. Warum er so lange hingehalten wurde und sich hinhalten ließ, verstehe ich bis heute nicht recht; ich nehme aber an, daß Theodora ein Druckmittel ihm gegenüber in der Hand behalten wollte und er Marozias Widerstand gegen eine Verheiratung spürte. Hinzu kam, daß er genügend weibliche Ablenkung fand.
    Ich selbst sorgte nicht nur für das Wohlergehen der familia, sondern auch, unterstützt von Aaron und seinen Männern, für das Florieren der Handwerksbetriebe, die Theophylactus gehörten, und trieb den Bau der Schutzburgen und Bergdörfer in der Sabina und in den Albaner Bergen voran, kontrollierte den Einsatz der coloni auf den Domänen. Erstaunlich war, daß die Sarazenen sich während dieser Jahre mit ihren Brandschatzungen zurückhielten, vermutlich durch Alberichs Truppen in Schach gehalten oder durch Bruderkämpfe und Rivalitäten geschwächt.
    Von den Ungarn im Norden hörte man das Gerücht, daß der von ihnen besiegte, jedoch nicht gänzlich entmachtete Berengar von Friaul ihnen Tributzahlungen und ein Bündnis angeboten habe. Dann traf, von Erzbischof Johannes nach Rom überbracht, die Nachricht ein, Berengar, der noch immer nach der Kaiserkrone strebe, habe Kaiser Ludwig in Verona überfallen, ihn – manche behaupteten sogar: persönlich – geblendet und in die Provence zurückgeschickt. Papst Sergius wie auch seine Freunde und Berater, unter ihnen Theophylactus und Alberich, wollten den zwielichtigen und machtgierigen Verräter keineswegs zum Kaiser krönen, zumal sie befürchteten, er könne mit den Horden der beutegierigen Ungarn im Schlepptau vor den Toren der ewigen Stadt auftauchen.
    Doch dann traten Ereignisse ein, welche die Schatten der Vergangenheit wie durch einen Blitz zerrissen.
    Eines Tages ließ mich Theodora zu sich rufen.

Weitere Kostenlose Bücher