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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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über, sagte nur einen Satz: »Ich kann nicht mit dir gehen« und ließ ihn allein.
    Gefühlstaub und leer setzte ich mich vor die Venusstatue im Peristyl, lehnte mich an eine Säule. Als ich begriff, was ich getan hatte, keimte in mir eine schwache Hoffnung auf, Martinus möge die Vereinigung und das Versprechen der letzten Nacht vergessen und bleiben.
    Doch mit Sonnenaufgang hatte er bereits das Haus verlassen. Theophylactus fand eine Mitteilung von ihm vor, die er mir entsetzt und wütend vor die Nase hielt. Jeder im Haus wußte, daß unser Procurator mich in demütiger Treue liebte.
    Ich nickte nur und sagte: »Es ist meine Schuld.«
    Später bestürmte mich Theodora, ihr zu berichten, was die vergangene Nacht geschehen sei.
    Ich schüttelte den Kopf. Mir war sterbenselend. Marozia hampelte eine Weile vor mir her und verzog sich beleidigt, als ich nicht auf sie einging. Nur Alexandros setzte sich neben mich, mein heranwachsender Sohn, ein vierzehnjähriger Junge, der alles zu verstehen schien.
    »Bist du meinetwegen geblieben?« fragte er, obwohl ich ihm nie von Martinus' Angebot erzählt hatte.
    »Alles geschieht deinetwegen«, antwortete ich, ohne mir zu überlegen, wie der Junge meine Worte auffassen mußte.
    Als ich in seine großen Augen blickte, fügte ich eilig an: »Ich wollte dich und unsere Mariuccia nicht auseinanderreißen.«
    »Glaubst du wirklich …?«
    »Ich will alles tun, damit ihr glücklich werdet.«
    Ernst starrte er in die Ferne, erhob sich schließlich mit verschleiertem Blick und eingezogenen Schultern und verschwand wortlos im Haus.
    Ich starre auf das Pergament, auf dem sich wie unter einem fremden Diktat die Buchstaben und Worte dahingequält haben. Vorsichtig lasse ich meine Finger über seine Oberfläche gleiten.
    Es gibt nur einen Ausweg: Flucht.
    Ich muß das eine Kind verlassen, um das andere wiederzufinden.
    Ich darf nicht noch einmal zurückschrecken.
    31
    Alberico läßt mich warten.
    Natürlich habe er meine Botschaft unverzüglich an Princeps Alberich weitergeleitet, betonte Anastasius vor Tagen, und der Princeps habe nicht den Eindruck erzeugt, er überlege sich, sein Angebot zu widerrufen. Er, Anastasius, sei sogar so mutig gewesen, den Herrscher Roms noch einmal an die Botschaft zu erinnern, worauf Princeps Alberich ihm knapp beschieden habe: »Alles zu seiner Zeit.«
    Anastasius kratzte sich am Kopf. »Vielleicht sagte er auch: ›Alles Warten braucht seine Zeit.‹ Ich bin ein alter Mann, verstehst du, der leicht vergißt. Wer wie du aufschreibt, was in seinem Leben geschah, ist zu beneiden. Dem wächst sein Leben wie ein weitverzweigter Baum: Jedes Blatt ist eine Erinnerung. Oder wie ein Turm, der bis in die Wolken reicht. Dort oben wird dann alles neblig und düster: Das ist das Alter.«
    Wahrscheinlich hätte Anastasius noch weitergeredet und andere Vergleiche gefunden, wenn ich ihm nicht ins Wort gefallen wäre: »Dann kommt ein Erdbeben und läßt den Bau einstürzen; oder es kommt der Holzfäller und legt den Baum um: Das ist der Tod.«
    »Wie wahr!« erwiderte Anastasius nachdenklich und verabschiedete sich schließlich mit den Worten: »Aber sogar das gefällte Holz erfüllt mannigfache Zwecke: Es trägt Dächer, gleitet über die Wogen des Meeres …«
    »… oder verbrennt in Küchen und Kaminen.«
    »Wie wahr, wie wahr!« hörte ich Anastasius noch rufen, als er mit einem entschiedenen Ruck unsere Kerkertür verriegelte.
    »Doch selbst das Brennholz wärmt unsere Speisen und Körper«, sagte ich zu mir selbst.
    Seitdem gilt es zu warten.
    Marozia betet stumpfsinnig oder ergeht sich, kaum verständlich, in Selbstanklagen. Was ist aus meinem stolzen, starken und lebenswilden Kind geworden! Eine zerknirschte Betschwester! Sie wird mir bis an das Ende meiner Tage ein Rätsel bleiben.
    Während mich die erste Zeit des Wartens quälte, ergebe ich mich nun in mein Schicksal und nehme mir das Pergament wieder vor. Leider zieren sich die Erinnerungen, zeigen sich wenig auskunftswillig. Nach Martinus' Verschwinden gähnt ein Loch. Ich sehe meinen Sohn neben mir sitzen, und wenn ich genau hinschaue, entdecke ich täglich mehr von seinem Vater: zum Beispiel die feingeschnittene Nase und seine verschatteten Augen.
    Und seltsamerweise erinnere ich das Singen der Handwerker, die begonnen hatten, aus der eingestürzten und ausgeplünderten Lateran-Kirche eine neue, noch größere, fünfschiffige Basilika zu errichten, die nach Johannes dem Täufer genannt werden sollte.

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