Die heimliche Päpstin
herrischen Ton, den ich nie an ihr leiden konnte.
»Marozia und Alexandros sind Geschwister, nicht mehr, alles andere wäre Blutschande …«
»Sie sind Milchgeschwister«, entgegnete ich.
»Reicht dies nicht?« Sie sah mich scharf an. »Marozia ist Alberich seit langem versprochen, das weißt du genau, das wissen auch die beiden. Was sie bisher getrieben haben, ist Spiel mit dem Feuer.«
Ich weiß nicht, was Theodora in meinen Augen las, auf jeden Fall wurde ihr Ausdruck milder, die Stimme sanfter. Sie nahm sogar wieder meine Hand: »Ich habe Sergius bereits vorgeschlagen, sich mit meiner Jüngsten zufriedenzugeben. Aber er hat den Vorschlag strikt abgelehnt. Er hat es auf Marozia abgesehen.«
Nun konnte ich mich nicht länger beherrschen. »Du mußt sein Ansinnen zurückweisen!« rief ich, völlig außer mir. »Wie kannst du deiner Tochter dies antun!«
»Was ist schon dabei! Was hast du denn ertragen müssen? Auch ich könnte dir Geschichten erzählen … oder glaubst du, die Gaukler hätten eine Jungfrau mit sich geführt?«
»Es ist eine Todsünde.«
»Seit wann hältst du mir Sünden vor? Die Welt ist voller Sünden, und kein Gott kümmert sich um die Bestrafung der Sünder.« Sie hatte sich abgewandt und an das kleine Fenster gestellt, durch das man auf einen Feigenbaum schauen konnte. Schließlich sagte sie: »Du weißt, daß du uns dein Leben verdankst.«
»Theodora!« Ich legte alles Flehen in meine Stimme, doch sie drehte sich nicht um. Auch ich blieb stehen, verwirrt, verzweifelt, hilflos.
»Stell dir vor, jemand verrät Alberich, was geschehen ist – Marozia zum Beispiel …«
»So dumm ist sie nicht.«
»Oder, schlimmer noch, der Papst selbst – ihr macht euch erpreßbar. Alberich würde sich rächen, Marozia verstoßen …«
»Glaubst du, daran habe ich nicht gedacht? Marozia ist meine Tochter, sie wird vernünftig reagieren. Vielleicht hast du etwas den Kontakt zu ihr verloren …«
Ich wurde unsicher: Sollte ich meine Marozia nicht mehr kennen? Sollte ich während der letzten Jahre mich zu viel um das wirtschaftliche Wohlergehen des Hauses Theophylactus gekümmert und sie vernachlässigt haben?
»Was Sergius angeht«, fuhr Theodora fort, »so bin ich überzeugt, daß er nicht reden wird. Schließlich hat er seinen neuerworbenen Ruf als untadeliger Kirchenfürst zu verlieren. Er will als der Erbauer von San Giovanni in Laterano in die Geschichte eingehen und sich dadurch einen Platz im Himmel erkaufen, nachdem er einige Morde und diesen ekelhaften Prozeß gegen Formosus abzubüßen hat. Außerdem möchte er sicher nicht so enden wie seine Vorgänger.« Theodora bleckte kurz und höhnisch ihre Zähne. »Allerdings soll er so enden, zur Strafe für diese verruchte Erpressung. Sobald Marozia ihren Gemahl Alberich umfangen hat und keine Gefahr mehr besteht, daß er sie verstößt, werde ich ihm heimlich stecken, daß Sergius Marozia Gewalt angetan hat und ihn als Gehörnten in die Ehe gehen ließ. Was glaubst du, wie Alberich reagieren wird? Ich sage es dir: Sergius wird keine drei Tage mehr leben.«
Als ich nicht sofort antwortete, fügte sie an: »Freust du dich nicht, daß Sergius noch in diesem Leben die Strafe ereilt, die er verdient?«
Ich wußte nicht, ob ich überhaupt auf diesen Plan antworten sollte, so ungeheuerlich fand ich ihn. So skrupellos. Und amoralisch. Vielleicht verdiente Sergius keine andere Antwort, aber man könnte den Verlauf der Rache abkürzen, indem man Alberich von Sergius' Ansinnen unverzüglich in Kenntnis setzte. Dies würde, in der Tat, Krieg bedeuten.
Noch war Theophylactus der mächtigste Mann in der Stadt – indes, wie lange noch? Er war die einflußreichste Stimme unter den Adligen, er war unter den Handwerkern und Händlern angesehen, das bettelnde, herumlungernde und hurende Volk liebte ihn, weil er für kostenlose Brotverteilungen sorgte, Feste ausrichten und gelegentlich Oboli verteilen ließ. Auch in der Kurie hatte er zahlreiche Anhänger, doch fanden sich hier mehr und mehr Skeptiker und Gegner, und zwar nicht nur unter den alten Formosianern – gerade weil Theophylactus so mächtig geworden war.
Papst Sergius spürte dies genau, wollte ihn womöglich sogar herausfordern. Natürlich rechnete er nicht damit, daß seine alten Bundesgenossen ihn umbringen könnten. Dies würde zu einem Aufschrei führen und vielleicht sogar die Stimmung kippen lassen. Würde dann ein gegenüber Theophylactus kritisch eingestellter Kandidat gewählt,
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