Die heimliche Päpstin
hätten er und Alberich sich einen Bärendienst erwiesen: Sogar Alberichs Markgrafentitel und seine Herrschaft über Spoleto wären in Gefahr, nachdem er sie ohnehin nur durch einen allgemein bekannten Mord an Wido, dem Bruder des letzten Herrschers, erlangt hatte.
Da sich Theodora noch immer nicht umgewandt hatte, verließ ich wortlos den Raum. Nachdem ich unruhig durch den Garten und hinaus in den Park gewandert war, entdeckte ich in einer der versteckten Lauben meinen Sohn. Ich drückte ihn stumm an mich, er befreite sich jedoch und schaute mich erstaunt an. Stärker als früher fiel mir auf, daß er mit seinen verschatteten Augen und der schmalen Nase seinem Vater ähnelte, und ein Schauder überlief mich. Ich setzte mich neben ihn und suchte nach Worten. Natürlich spürte er meine Erregung, meine Verwirrung – sollte ich ihm etwa Theodoras Plan mitteilen?
Ich konnte noch gar nicht begreifen, daß plötzlich und unerwartet nichts mehr war wie früher.
»Mama, was ist mir dir?« fragte Alexandros mit seiner hellen, weichen Stimme, die er eher von mir als von seinem Vater hatte.
»Du und Marozia …«
»Wir lieben uns«, sagte er schlicht.
»Und Marozia?« Ich fühlte mich hilflos und dumm.
»Was soll mit Marozia sein? Das weißt du doch selbst. Sie ist schön, stolz und lächelt, daß du vor ihr auf die Knie fällst.«
»Liebt sie dich auch?«
»Ich sagte soeben, daß wir uns lieben.«
»Obwohl ihr wißt, daß sie seit langem Alberich versprochen ist? Du bist der Sohn einer Sklavin.«
»Einer Sklavin …« Er lächelte, wurde aber rasch ernst.
»Sie hat bis jetzt eine Heirat hinausgezögert.«
»Weil ihr … euch …«
Er nickte.
»Und ist sie noch …«
»Das müßtest du besser wissen als ich.«
Hatte ich derart den Kontakt zu meiner Mariuccia verloren?
Prüfend schaute ich Alexandros an: »Also ja.«
Er nickte.
»Und ihr liebt euch?«
»Mama …!«
»Entschuldige!«
»Was ist mit dir?«
»Wenn ihr euch liebt, Marozia aber Alberich heiraten soll, du der Sohn einer Sklavin bist – wie stellt ihr euch die Zukunft vor?«
Alexandros war sehr ernst geworden. »Sie wird ihn nicht heiraten.«
Ich starrte ihn an.
»Sie hat mir versprochen, sich zu weigern, weil sie mich heiraten will. Ich bin der – wenn auch illegitime – Sohn eines römischen Adligen, des jetzigen Papstes, und einer byzantinischen Prinzessin …«
»Du weißt, daß ich keine Prinzessin bin.«
»Für mich bist du eine.«
»Dein Großvater war ein angesehener Fernhändler aus makedonischer Familie.«
»Ich will mir – und dir! – die Ehre meiner Herkunft zurückerobern. Und außerdem will ich mit Marozia glücklich werden.«
In diesem Augenblick wußte ich, daß ihm der Tod drohte. Theodora, Alberich oder beide oder sogar Sergius, obwohl er sein Vater war – irgendeiner würde ihn in absehbarer Zeit ermorden lassen. Daran gab es für mich keinen Zweifel.
Ich warf einen kurzen Blick voller Panik auf ihn. Sein Gesicht wirkte ruhig und zugleich voller Hoffnung. Da ich gepeinigt war von Ängsten, die er nicht verstand oder nicht zu verstehen vorgab, legte er seinen Arm um meine Schultern. Er mochte schüchtern wirken, aber er war ein Mann geworden, in dem ein Feuer brannte – und ein unbezwingbarer Wille.
Je unbezwingbarer der Wille, so dachte ich, desto sicherer der Tod. Eins jedoch wußte ich: Den Tod meines Sohnes würde ich nicht überleben, und ich würde ihn auch nicht hinnehmen. Ich mußte seine Ermordung unter allen Umständen verhindern!
33
Während der nächsten Wochen kühlte sich die Stimmung zwischen Theodora und Theophylactus auf der einen und mir auf der anderen Seite spürbar ab. Erschien Papst Sergius – und er erschien häufig, meist in Jagdkleidung und ohne kuriale Begleitung –, wurde ich nicht mehr zu den Gesprächen hinzugezogen. Die Männer ritten anschließend aus, und abends wurde gefeiert. Ich hatte währenddessen die Liste der jährlichen Einnahmen zu überprüfen.
Erzbischof Johannes besuchte noch einmal Theodora, als die Männer auf der Jagd waren. Es ging ruhig zu zwischen den beiden, man hörte nur ihre gedämpften Stimmen. Schließlich verabschiedeten sie sich mit Tränen in den Augen. Als Theodora mir in der Eingangshalle begegnete, erklärte sie, Erzbischof Johannes müsse wieder nach Ravenna zurückreisen. Sie hatte seinen Titel genannt, als spräche sie zu einer Fremden. Als ich sie kalt und abweisend anschaute und mich dann kommentarlos abwandte, griff sie
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