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Die Heiratsschwindlerin

Die Heiratsschwindlerin

Titel: Die Heiratsschwindlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Kinsella
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nach. »Bist du homosexuell?«
    Eine lange Pause trat ein.
    »Ich weiß es nicht«, meinte Rupert schließlich. Er ließ sich aufs Sofa fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. »Ich weiß nicht, was ich bin.«
    Als er nach ein paar Minuten wieder aufsah, war Francesca verschwunden. Noch immer zwitscherten draußen die Vögel; in der Ferne brausten Autos. Alles war wie vorher. Nichts war wie vorher.
    Rupert blickte auf seine zitternden Hände. Auf den Siegelring, den Francesca ihm zur Hochzeit geschenkt hatte. Mit einem Mal erinnerte er sich wieder an das Glück, das er an jenem Tag empfunden hatte, seine Erleichterung, als er mit ein paar schlichten Worten Teil der legitim verheirateten Massen geworden war. Als er Francesca aus der Kirche führte, war es ihm, als gehöre er endlich dazu, als sei er endlich normal. Und genau das wollte er. Er wollte nicht schwul sei. Er wollte keiner Minderheit angehören. Er wollte einfach so sein wie alle anderen auch.
    Alles war so verlaufen, wie Allan es vorausgesagt hatte. Allan hatte verstanden, er wusste genau, wie Rupert sich fühlte. Er hatte beobachtet, wie sich Ruperts Empfindungen während jener Wochen im Spätsommer allmählich von Leidenschaft in Verlegenheit wandelten. Er hatte geduldig abgewartet, während Rupert versuchte, sich von ihm zu lösen, ihn Tage hintereinander ignorierte, nur um ihm schließlich mit mehr Leidenschaft denn je wieder zu erliegen. Er war mitfühlend und verständnisvoll gewesen. Und im Gegenzug war Rupert vor ihm geflohen.
    Der Beginn seines Sinneswandels kam Anfang September. Rupert und Allan waren zusammen die Broad Street entlanggegangen, zwar nicht Händchen haltend, aber ihre Arme hatten sich berührt, sie hatten miteinander getuschelt, sich wie Liebende angelächelt. Und dann rief jemand Ruperts Namen.
    »Rupert! Hi!«
    Er riss den Kopf hoch. Ben Fisher stand auf der anderen Straßenseite und grinste ihn an, ein Junge, der in seiner alten Schule eine Klasse unter ihm gewesen war. Plötzlich erinnerte Rupert sich an einen Brief seines Vaters, den er ihm ein paar Wochen vorher geschrieben hatte. An dessen wehmütige Hoffnung, dass Rupert einen Teil der Ferien nach Hause kommen möge, die triumphierende Neuigkeit, ein weiterer Junge aus der kleinen Schule in Cornwall würde sich bald zu ihm nach Oxford gesellen.
    »Ben!«, rief Rupert aus und eilte über die Straße. »Herzlich willkommen! Hab schon gehört, dass du kommst.«
    »Ich hoffe, du führst mich hier ein bisschen herum«, erwiderte Ben und blinzelte mit seinen dunklen Augen. »Und stellst mich ein paar Mädchen vor. Hinter dir muss doch die ganze Stadt her sein, du Frauenheld!« Dann wanderte sein Blick neugierig zu Allan, der noch immer auf der anderen Straßenseite stand. »Wer ist das?«, fragte er. »Ein Freund?«
    Ruperts Herzschlag setzte kurz aus. In plötzlicher Panik sah er sich mit den Augen seiner Freunde aus Cornwall. Seiner Lehrer. Seines Vaters.
    »Oh, der?«, erwiderte er nach einer Pause. »Niemand Besonderes. Bloß einer der Tutoren.«
    Am nächsten Abend ging er mit Ben in eine Bar, trank Tequila und flirtete wild mit ein paar hübschen Italienerinnen. Bei seiner Rückkehr wartete Allan in seinem Zimmer auf ihn.
    »Einen schönen Abend gehabt?«, erkundigte er sich freundlich.
    »Ja«, antwortete Rupert, unfähig, seinem Blick zu begegnen. »Ja, ich war mit … Freunden unterwegs.« Er zog sich rasch aus, legte sich ins Bett und schloss die Augen, als Allan sich ihm näherte. Als sie miteinander schliefen, verdrängte er alle Schuldgefühle, alles Grübeln.
    Aber am nächsten Abend ging er wieder mit Ben aus, und dieses Mal zwang er sich, eines der hübschen Mädchen zu küssen, die ihn umschwirrten wie Motten das Licht. Sie ging sofort auf ihn ein, ermutigte ihn, seine Hände über ihren weichen, unvertrauten Körper wandern zu lassen. Am Ende des Abends lud sie ihn ein, mit in das Haus in der Cowley Road zu kommen, das sie mit anderen zusammen bewohnte.
    Er hatte sie langsam und unbeholfen entkleidet, hatte sich an Filmszenen orientiert, in der Hoffnung, ihre offensichtliche Erfahrung würde auch ihn mit durchbringen. Irgendwie schaffte er es, die Sache erfolgreich hinter sich zu bringen; er hatte keine Ahnung, ob ihre lustvollen Schreie echt oder vorgetäuscht waren, und es war ihm auch egal. Am nächsten Morgen erwachte er in ihrem Bett, an ihren glatten Frauenkörper geschmiegt, und atmete ihren femininen Duft ein. Er küsste ihre Schulter, wie er

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