Die Heiratsschwindlerin
lasen.
Aber schließlich erreichte der Zug seine Haltestelle. Und wie ein Roboter griff er nach seiner Aktentasche, erhob sich und trat auf den Bahnsteig. Er folgte all den anderen Pendlern die Treppe hinauf in den dunklen Winterabend hinaus. Eine vertraute Prozession bewegte sich die Hauptstraße entlang, verkleinerte sich, je öfter Leute abbogen, und Rupert folgte ihnen. Je mehr er sich seinem Zuhause näherte, umso langsamer wurde er, und als er die eigene Straße erreichte, blieb er ganz stehen und erwog einen Augenblick kehrtzumachen. Aber wohin gehen? Er konnte nirgendwo sonst hin.
Beim Öffnen des Gartentors bemerkte er erleichtert, dass im Haus kein Licht brannte. Er würde ein Bad nehmen und ein paar Drinks kippen, dann wäre sein Kopf bis zu Francescas Heimkehr vielleicht schon klarer. Vielleicht würde er ihr Allans Brief zeigen. Oder vielleicht nicht. Er griff in seiner Tasche nach dem Schlüssel und steckte ihn ins Schloss, dann stockte er. Der Schlüssel passte nicht. Er zog ihn heraus, betrachtete ihn und versuchte es abermals – wieder nichts. Dann, bei genauerem Hinsehen, konnte er erkennen, dass das Schloss bearbeitet worden war. Francesca hatte es austauschen lassen. Sie hatte ihn ausgeschlossen.
Ein paar Sekunden stand er reglos da. Zitternd vor Wut und Demütigung starrte er die Tür an. »Miststück«, hörte er sich mit erstickter Stimme sagen. »Miststück.« Ein plötzliches Verlangen nach Allan überkam ihn, und er wich von der Tür zurück, die Augen tränenverschleiert.
»Alles okay?«, ertönte eine fröhliche Mädchenstimme von gegenüber. »Haben Sie sich ausgeschlossen? Wenn Sie möchten, können Sie von uns aus telefonieren!«
»Nein danke«, murmelte Rupert. Er sah das Mädchen kurz an. Sie war jung, attraktiv und sah ihn mitfühlend an – für einen Augenblick überkam ihn das Verlangen, sich an ihrer Schulter auszuweinen. Dann fiel ihm ein, dass Francesca ihn vom Haus aus beobachten könnte, und er verspürte eine leichte Panik. Rasch, unbeholfen ging er fort, die Straße hinunter. Er erreichte die Ecke und winkte ein Taxi herbei, ohne zu wissen, wohin es gehen sollte.
»Ja?«, fragte der Fahrer, als er einstieg. »Wohin möchten Sie?«
»Zu … zu …« Einen Augenblick schloss Rupert die Augen, dann öffnete er sie und schaute auf seine Uhr. »Paddington Station.«
Um sechs Uhr klingelte es an der Haustür. Isobel machte auf, und Simon stand davor, einen großen Blumenstrauß in der Hand.
»Oh, du bist es«, sagte sie unfreundlich. »Was willst du?«
»Ich möchte zu Milly.«
»Sie ist nicht da.«
»Ich weiß«, meinte er besorgt. Simon wirkte herausgeputzt, fand Isobel, wie ein altmodischer Freier. Beinahe hätte sie bei seinem Anblick lächeln müssen. »Ich wollte mich nach der Adresse ihrer Patentante erkundigen.«
»Du hättest anrufen können«, bemerkte Isobel unerbittlich. »Dann hätte ich nicht extra an die Tür gehen müssen.«
»Es war dauernd besetzt.«
»Oh.« Isobel verschränkte die Arme und lehnte sich gegen den Türrahmen, nicht bereit, ihn gehen zu lassen. »Na, sind wir schon von unserem hohen Ross gestiegen?«
»Halt einfach den Mund, Isobel, und gib mir die Adresse«, erwiderte Simon gereizt.
»Tja, ich weiß nicht. Möchte Milly denn mit dir sprechen?«
»Ach, vergiss es.« Simon wandte sich um und stieg die Treppe wieder hinunter. »Ich finde sie auch allein.«
Isobel starrte ihn kurz an, dann rief sie: »Walden Street, Nummer zehn!« Simon drehte sich noch einmal um.
»Danke«, sagte er. Isobel zuckte die Achseln.
»Schon okay. Ich hoffe …« Sie hielt inne. »Du weißt schon.«
»Ja. Das hoffe ich auch.«
Esme öffnete in einem langen weißen Bademantel die Tür.
»Oh«, meinte Simon verlegen. »Verzeihung, wenn ich störe. Ich wollte mit Milly sprechen.«
Esme musterte ihn und sagte dann: »Ich fürchte, sie schläft. Sie hat heute Mittag nämlich reichlich getrunken. Ich werde sie wohl nicht wecken können.«
»Oh.« Simon trat von einem Fuß auf den anderen. »Tja … sagen Sie ihr bitte einfach, ich sei vorbeigekommen. Und geben Sie ihr diese hier.« Er reichte Esme die Blumen, die sie mit leichtem Entsetzen betrachtete.
»Ich richte es aus. Auf Wiedersehen.«
»Vielleicht könnte sie mich anrufen. Wenn sie wach ist.«
»Vielleicht«, sagte Esme. »Das liegt bei ihr.«
»Natürlich.« Simon errötete leicht. »Nun, danke.«
»Auf Wiedersehen.« Esme schloss die Tür. Einen Augenblick sah sie auf die Blumen,
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