Die heißen Kuesse der Revolution
Obwohl er nicht nur Brite und Adeliger war, sondern auch einen Sitz im Oberhaus innehatte, hatte er ihr vorgegaukelt, ein französischer Offizier der Revolutionsarmee zu sein. Alle Welt wusste, was für ein riesiges Vermögen der Earl of Bedford besaß. Schlimmer noch, er war ein berühmter Tory! Premierminister Pitt hatte ihm sogar das Amt des Schatzkanzlers angeboten. „In den letzten Tagen ist viel passiert“, sagte Julianne atemlos. Sie sah Tom an.
Er war sehr besorgt. „Du bist beängstigend blass. Setz dich. Ich kann uns Tee machen.“
„Du bist mein Freund, Tom. Ich brauche dich jetzt.“
„Was ist los?“
Sie schüttelte den Kopf. „Du hattest vollkommen recht in Bezug auf Charles. Er ist gar kein französischer Revolutionär. In Wirklichkeit ist er, er ist der Earl of Bedford.“ Julianne war von blinder Wut getrieben. Sie wollte es diesem Aristokraten heimzahlen.
Tom riss überrascht die Augen auf. Er war vollkommen verblüfft. „Einen Augenblick, bitte. Du meinst, der Earl of Bedford ist ein britischer Spion?“
Julianne war von Abscheu erfüllt, doch plötzlich breitete sich ein Schamgefühl aus. Sie hatte soeben Pagets Tarnung preisgegeben und den Mann ausgeliefert. Tom war kein Narr. Er begriff sofort, was das zu bedeuten hatte. Wollte Julianne Bedford tatsächlich ans Messer liefern? Wollte sie wirklich, dass er nach seiner Rückkehr nach Frankreich sofort verhaftet und hingerichtet wurde? Auf einmal wurde sie von so vielen Erinnerungen übermannt, dass sie kein Wort mehr herausbrachte.
„Du hast einen ganzen Monat lang nicht irgendeinen Offizier der Revolutionären Garden gesund gepflegt, sondern den Earl of Bedford?“ Tom konnte es nicht fassen.
„Um Gottes willen! Ich wusste sofort, dass etwas mit ihm nicht stimmt! Ich konnte regelrecht riechen, dass er ein Betrüger war!“
Julianne schob die peinlichen Erinnerungen beiseite und schlang die Arme um ihre Brust. Der Earl of Bedford war ein Lügner. Er hatte sie hinterhältig ausgenutzt. Er verdiente es nicht, dass sie sich um ihn sorgte. Er würde bekommen, was er sich selbst eingebrockt hatte. „Ich lag falsch, und du hattest recht. Ich bin eine gottverdammte Närrin.“
Tom umfasste ihre Schultern. „Julianne, du bist die klügste Frau, die ich je kennengelernt habe. Das ist alles nicht deine Schuld. Er war ein gut aussehender, charmanter Mann. Er weiß genau, wie er die Frauen herumkriegt. Wo ist er jetzt?“
Julianne zögerte. Sie wusste nicht, ob sie noch mehr verraten sollte. Um nichts in der Welt wollte sie Lucas gefährden, der auch in den Krieg gegen Frankreich verwickelt war und der den Earl of Bedford zurück nach London gebracht hatte. Aber durfte Tom erfahren, dass Dominic wieder in London und jetzt womöglich im Kriegsministerium war? „Er ist abgereist.“ Julianne wusste nicht genau warum, aber plötzlich wollte sie den Earl schützen. Was zum Teufel stimmte nicht mit ihr? Wollte sie denn nicht, dass er seine gerechte Strafe bekam?
Für einige Wochen werde ich mich in London aufhalten, falls du irgendetwas brauchst.
Ich habe dich sehr gern.
Beinahe hätte sie laut Lügner ! herausgeschrien, doch sie blieb stumm und starrte Tom an.
„Ich werde sofort an Marcel schreiben“, sagte Tom entschlossen. Er wollte zu seinem Schreibtisch, doch plötzlich drehte er sich um. „Hat er gesagt, wohin er will, Julianne? Ist er schon wieder in Frankreich?“
Ihre inneren Zweifel wuchsen. Sie war völlig verwirrt. Wollte sie allen Ernstes an seinem Tod schuld sein?
„Julianne?“
Wenn sie Tom erzählte, dass Paget jetzt in London war, wäre es überhaupt der Mühe wert, das dem Club in Paris mitzuteilen? Sollte sie nicht besser etwas Zeit vergehen und wieder Ruhe einkehren lassen, bevor sie entschied, was sie am besten tun sollte? „Ich glaube, er wollte nach London. Aber falls er noch einmal nach Frankreich zurückkehren sollte, wird er bestimmt nicht mehr dieselbe Tarnung benutzen.“
Tom musterte sie scharf. „Ob er in London ist, können wir sehr leicht herausfinden. Wahrscheinlich weiß die halbe Stadt, wo sich seine Residenz befindet.“
„Was willst du tun?“, fragte Julianne unbehaglich.
„Seinen Aufenthaltsort feststellen, wenn ich kann. Und natürlich alles an Marcel weitergeben.“
Plötzlich war Julianne von Furcht erfüllt. Sie wünschte, sie hätte Tom nichts erzählt. Sie hatte noch nie viel von Rachegelüsten gehalten, aber sie war so entsetzlich verletzt. Falls sie sich wirklich rächen
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