Die heißen Kuesse der Revolution
mich nicht zu gefährden, musste ich sie in diesem Glauben belassen, und so führte eins zum anderen.“ Nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob Julianne immer noch so wütend auf ihn war. „Ich konnte nicht schreiben, denn sie hätte den Brief mit der Adresse auf die Post bringen müssen.“
„Großer Gott“, stöhnte Catherine. „Diese Jakobiner sind wirklich schon überall! Ich kann nicht fassen, dass eine Jakobinerin dich wieder gesund gepflegt hat!“ Sie nahm sein Gesicht in die Hände und küsste ihn auf die Wangen.
„Eigentlich war sie eine angenehme Gesellschaft“, erwiderte er.
Lady Catherine seufzte. „Aha, sie war also schön und ein angenehmer Zeitvertreib.“
Dominic beschloss, besser zu schweigen.
„Setz dich zu mir“, sagte seine Mutter und sank in das Sofa.
Er setzte sich neben sie. „Als ich England verließ, machten die Jakobiner nur einen winzigen Bruchteil der gebildeten Bevölkerung aus.“
Sie sah ihn angewidert an. „Es ist immer noch nur eine kleine Gruppe, Dominic, aber inzwischen sind sie sehr lautstark und genauso tollwütig wie die Jakobiner in Paris. Nächste Woche wollen sie hier in London eine Versammlung abhalten. Und dieser entsetzliche Radikale Thomas Hardy veranstaltet eine Versammlung in Edinburgh. Sie würden die französische Armee mit offenen Armen begrüßen, wenn sie je an unseren Küsten landen sollte.“
Dominic betrachtete seine Mutter. Der Gedanke, dass sie die Erinnerungen an ihren letzten Aufenthalt in Frankreich noch immer verfolgten, behagte ihm nicht. Er wusste, dass das Erlebte sie noch immer quälte und dass Catherine an Albträumen und Schlaflosigkeit litt. Als es ihm vor fast zwei Jahren gelungen war, sie in Frankreich zu finden, hatten sie auf der Flucht nach Brest mehrere Nächte in kleinen Herbergen und in aneinander grenzenden Kammern verbracht. Dort hatte er sie oft weinen gehört.
Nur wenige Wochen später war er auf der Suche nach Nadine nach Frankreich zurückgekehrt. Seitdem hatten sie kein Wort mehr miteinander wechseln können. „Und wie ist es dir ergangen?“, fragte er.
„Nun, natürlich bin ich vor Sorge gestorben.“
„Das meinte ich nicht. War London gut zu dir?“ Schließlich war sie eine gebürtige Französin.
Sie lächelte schwach. „Die Revolution hat auch diese Stadt verändert. Jedermann redet von nichts anderem als vom Krieg und von den Gräueltaten in Frankreich. Und stell dir vor, jetzt reden sie sogar von einer Invasion. Würden die Revolutionäre wirklich wagen, hier anzulanden?“
Dominic blieb gelassen. „Ganz sicher nicht in nächster Zukunft. Und wenn sie jemals landen sollten, dann würden sie das weit im Norden tun, vielleicht in Schottland, oder ganz unten im Süden, wo es viele Sympathien für die Jakobiner gibt.“ Er musste wieder an Julianne denken.
Sie ergriff seine Hände. „Ich gehe zu Teegesellschaften und Abendempfängen, auf Bälle und ins Theater und hin und wieder ermutige ich einen Bewerber. Ich tue das alles nicht etwa, weil es mich interessiert, sondern um mir zu beweisen, dass ich noch am Leben bin. Ich tue, was eine Frau eben tut.“
Dominic fühlte einen Stich in seinem Herzen. „Es tut mir leid, dass ich so lange fortbleiben musste.“ Aber Mutter sollte wieder heiraten, dachte er und plötzlich fragte er sich, wieso ihm dieser Gedanke bisher nie gekommen war.
„Ich weiß, dass du nie darüber sprechen wirst, aber ich bin sehr froh, dass du ein Patriot bist, Dominic“, sagte Catherine leise. „Und ich bin froh, dass du nach Frankreich zurückgekehrt bist.“ Dominic war froh, dass sie ihre Gedanken nicht weiter vertiefte, denn er konnte unmöglich mit ihr darüber sprechen, was er in ihrer Heimat tat.
„Ich mache mir Sorgen um dich. Du siehst unglücklich aus.“
„Ich bin überglücklich, dass du wieder da bist“, rief sie aus, „aber es macht mich krank mitansehen zu müssen, wie mein Land Tag für Tag ein Stückchen mehr zerstört wird.“ Tränen stiegen in ihre Augen.
„Es gibt jetzt überall royalistische Aufstände“, sagte er, „in Lyon, in Toulon, in Marseille …“
Catherine schnitt ihm das Wort ab. „Ich weiß. Vielleicht wird dieser Schrecken doch noch ein Ende finden.“
Er sah zur Seite.
„Mir brauchst du nichts vorzumachen“, erwiderte sie sanft. „Ich versuche optimistisch zu sein, obwohl ich es gar nicht bin. Bist du noch einmal in der Wohnung gewesen? Ist noch etwas davon übrig?“
„Nein, nichts mehr“, sagte er, „aber das
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