Die heißen Kuesse der Revolution
hatte, aber das durfte er nicht. Aber was sollte er jetzt auf diese Bemerkung erwidern? „Du hast meine Frage nicht beantwortet.“
Sie zuckte die Schultern. „Ich schätze, irgendwann werde ich mich an diese neuen Lebensumstände gewöhnen, aber meine eigentliche Heimat im Loiretal werde ich immer vermissen.“
„Du brauchst etwas Zeit, um dich zu erholen und dich einzugewöhnen. Das ist alles.“
Sie lächelte zaghaft „Ja, mit der Zeit werde ich mich in dieses neue Leben eingewöhnen.“
Nach einigen schweigsamen Minuten fragte er leise: „Haben wir uns beide so sehr verändert, dass wir einander fremd geworden sind?“
Er sah die Tränen in ihren Augen. „Ich hoffe nicht! Ich liebe dich, Dominic!“
Er wusste, dass sie nicht die leidenschaftliche Liebe meinte, und schloss sie in die Arme. „Bist du die ganze Zeit in Frankreich gewesen?“, fragte sie, das Gesicht an seiner Brust vergraben.
Er verkrampfte sich. Er wollte sie nicht anlügen müssen. „Es ist besser“, sagte er langsam, „wenn wir über die Zukunft sprechen, nicht über die Vergangenheit.“
Sie sah zu ihm auf. „Wir sollen also nicht darüber reden, was wir beide in den letzten Jahren durchmachen mussten? Dabei haben wir uns so lange nicht mehr gesehen.“
Sein Herz zog sich zusammen. Er wusste noch genau, wo er sie zum letzten Mal gesehen hatte. Es war auf einem Ball, in der Nacht, bevor sie nach Paris aufbrach.
Damals hatten sie sich voller Leidenschaft geküsst und die Erinnerung daran stimmte ihn plötzlich traurig. Wie unschuldig sie doch gewesen waren in ihrer festen Überzeugung, das ganze weitere Leben miteinander zu verbringen.
„Es gibt Dinge, über die ich nicht einmal mit dir sprechen darf.“
Sie machte sich von ihm los. „Dann werde ich wohl annehmen müssen, dass du genauso schreckliche Dinge überlebt hast wie ich.“
„Ja, wir haben beide gewiss zwei sehr schwere Jahre gerade so eben überlebt.“ Er ergriff Nadines Hand und hielt sie fest. Er wünschte, er könnte ehrlich zu ihr sein, und gleichzeitig, dass er ehrlich zu Julianne gewesen wäre. Aber er hatte eine Verpflichtung gegenüber dem Staat, die von ihm eine gewisse Doppelzüngigkeit, viel Vorsicht und Misstrauen verlangte. „Und ist das nicht ein Glück?“
„Du bist einer der stärksten Männer, die ich kenne. Von dir würde ich erwarten, dass du alles überlebst.“
Er lächelte erleichtert.
Nadine lächelte zurück. Einen langen Augenblick sahen sie einander nur an. „Es ist fast eine peinliche Situation, nicht wahr?“
„Ja, irgendwie schon.“
„Ich bin nicht so stark wie du“, sagte sie.
Er war sofort besorgt. „Was soll das heißen? Ich sehe doch, dass du gelitten hast. Ich merke, dass du sehr traurig bist.“
„Es heißt, dass ich eine andere bin. Ich habe meine Unschuld verloren, Dominic, meine naïveté .“ Sie lächelte nicht mehr. „Die Frau, die du einmal heiraten wolltest, existiert nicht mehr.“
„Nein“, sagte er scharf. „Du existierst noch genauso wie zuvor, du hast dich nur verändert, genau wie ich. Ich bin jetzt kein rüpelhafter Bengel mehr, so wie du kein naives Mädchen mehr bist.“
„Du warst nie ein rüpelhafter Bengel“, sagte sie sanft. „Du bist immer ein stolzer, ehrenhafter und mutiger junger Mann gewesen. Und diese Eigenschaften sind stärker geworden.“
Wie falsch sie damit doch liegt, dachte er bitter. „Weißt du, was sich wirklich nicht verändert hat?“
Beinahe erschrocken riss sie den Kopf hoch.
„Meine Loyalität zu dir.“
„Ich wüsste, dass du das sagen würdest.“ Doch ihre Worte blieben in der Luft hängen.
„Und das gefällt dir nicht? Ich werde immer für dich sorgen und dich immer beschützen, wenn ich kann.“
„Aber?“, soufflierte sie.
Er schwieg, um nicht besonders intime Themen berühren zu müssen.
Sie lächelte. „ Aber wir sind jetzt keine Kinder mehr, die barfuß umherlaufen. Wir sind auch keine reiche französische Erbin und kein mächtiger englischer Earl, die die Nacht durchtanzen.“
Sehr vorsichtig sagte er: „Vielleicht werden wir doch über die letzten beiden Jahre reden müssen.“
„Ja, vielleicht werden wir das ein anderes Mal.“
Er war erleichtert, dieses Gespräch aufschieben zu können. Er zögerte. „Der Krieg verändert jeden. Ich verabscheue den Gedanken, dass du überhaupt davon betroffen sein musstest. Ich wünschte, ich hätte dir das ersparen können, Nadine. Fünf Monate lang habe ich nach dir gesucht. Und ich hätte
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