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Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Titel: Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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Einen, der für sie da war. Einen, der Verantwortung übernahm. Einen, der sie hielt.

    Petra hatte mit Jörn über ihre Unzufriedenheit gesprochen. Er war der Einzige, mit dem sie über diese Dinge reden konnte. Die beiden sahen sich in letzter Zeit häufig. Sie gingen mehrmals die Woche zusammen spazieren und mit den Kindern auf den Spielplatz. Dort saßen sie auf der Bank und unterhielten sich, während ihre Kinder sich vergnügten. Oder was man so Vergnügen nennt. Denn der kleine Adrian war ein wildes Kind, das gern rutschte und schaukelte und auf das man immer ein Auge haben musste, weil er ständig auszubüxen drohte. Peggy hingegen saß zumeist im Sandkasten und baute mit heiligem Ernst Türme und grub Gräben. Sie kniff die Lippen dabei zusammen und war unendlich sorgfältig. Alles war gerade an ihrem Konstrukt, alles war eben, alles wurde glattgeklopft. Dabei sah Peggy nicht so aus, als würde sie es freiwillig tun. Sie sah vielmehr so aus, als erledigte sie in dem Sandkasten eine Aufgabe, die man ihr gestellt hatte.
    »Was hast du denn da Schönes gebaut?«, fragte Jörn, der sich zu seiner Pflegetochter auf den Rand des Sandkastens kniete. »Das sieht ja toll aus.«
    »Ein Schloss«, sagte Peggy leise.
    »Und wer wohnt da drin?«, fragte Jörn.
    Peggy zuckte mit den Schultern. Jörn strich Peggy über den Kopf und ging zur Bank zurück. Er wusste, dass er Geduld mit ihr haben musste. Auch wenn es schwerfiel.
    Adrian stürzte von der Schaukel, heulte aber nur kurz und rannte dann wieder los, um sich erneut auf ein hohes und potenziell gefährliches Spielgerät zu begeben.
    »Ganz der Papa«, lächelte Jörn.
    Petra lächelte nicht. »Dille lässt mich im Stich«, sagte sie. »Es ist, als ob die Kinder und ich bloß lästige Anhängsel für ihn wären.«
    Jörn schaute sie mitfühlend an. Er hatte einen Blick, der Petra zutiefst rührte. Jörn besaß unendlich viel Mitgefühl.
    »Sven strotzt auch nicht gerade vor Aufmerksamkeit«, seufzte Jörn. »Manchmal hoffe ich, dass eine seiner Inszenierungen floppt, dass seine Erfolgssträhne abreißt und er beruflich wieder kleinere Brötchen backen muss. Ich mochte ihn wirklich mehr, als er noch keine große Nummer war. Ist das nicht schrecklich gemein von mir?«
    Petra strich Jörn über die Wange. Jörn nahm Petras Hand und küsste ihr den Handrücken. Petra war etwas erstaunt, dann lächelte sie. Jörn war wirklich ein wunderbarer Mann. Sven war ein Idiot, dass er das nicht erkannte.

    Petra dachte an diese Spielplatzstunden, während sie ihr Raclettepfännchen füllte und sich einzureden versuchte, dass die Silvesterfeier schon noch in Schwung kommen würde. Sie betrachtete Jörn, der gerade einen Scherz über Svens Leidenschaft für Silberzwiebeln machte. Jörn hatte einen wunderschönen Mund. Petra konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor bei einem Mann den Mund schön gefunden zu haben.
    Sven lächelte verkrampft, als Jörn seine Silberzwiebelbemerkung machte. Sein Versuch, gute Miene zu diesem blöden Silvesterabend zu machen, war jedoch wenig überzeugend. Er hätte dieses Treffen nur zu gern geschwänzt. Im Literaturhaus gab es eine gigantische Party, auf der sich so ziemlich alle wichtigen und coolen Künstlerseelen der Stadt trafen. All seine Kollegen und viele seiner Freunde waren da. Doch Jörn hatte Sven mehr als deutlich klargemacht, dass es einen Riesenzoff gäbe, wenn er für diese »Schickimickiparty« das alljährliche Silvesterritual sausen ließe. Zumal die Feier dieses Jahr bei ihnen zu Hause stattfand. Peggy zuliebe. Sie sollte in ihrer gewohnten Umgebung bleiben, denn Ortswechsel und neue Eindrücke machten sie nervös und noch stiller, als sie sowieso schon war.
    »Es ist eine Tradition«, hatte Jörn gesagt. »Du siehst deine Kirschkernspuckerfreunde ohnehin viel zu selten. Außerdem hast du es versprochen. Und deine Schauspielerfreunde siehst du oft genug. Die werden es überleben, wenn du einmal nicht dabei bist.«
    »Es ist auch beruflich für mich wichtig«, versuchte Sven seinen Mann zu überzeugen. »Ich …«
    »Quatsch!«, unterbrach ihn Jörn. »Du inszenierst das Stück, mit dem die nächste Spielzeit eröffnet wird. Du bist auf der Shortlist der ›Regisseur des Jahres‹-Wahl. Du bist sowieso schon der absolute Obermotz am Haus. Es macht dich eher cool und noch begehrenswerter, wenn du dich nicht auf jeder Party blicken lässt.«
    »Aber …«, versuchte Sven.
    »Außerdem bist du jetzt Vater! Wir haben eine Tochter!«, rief

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