Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
etwa hinterhergeschnüffelt, oder?«
Entsetzt schüttelte Silvio den Kopf. »Madonna! Niemals würde ich so etwas tun! Es war dieser Mann, dem ich gefolgt bin! Ich wollte eben vom ›Walfisch‹ zu mir nach Hause, da sah ich ihn über den Domplatz schleichen. Der gleiche Mann, der uns schon einmal aufgelauert hat! Also bin ich ihm nach, und … Nun, den Rest kennt Ihr.« Er lächelte. »Ihr seht, es ist eher an Euch, sich zu erklären. Überhaupt habt Ihr mich vor kurzem bei dieser langweiligen Soirée schmählich im Stich gelassen. Ihr schuldet mir dafür mindestens eine weitere Einladung.« Plötzlich bekamen seine Augen etwas Gläsernes, er griff sich an den linken Arm. Erst jetzt sah Magdalena, dass Silvios Hemd rot von Blut war.
»O Gott, ich hab bei dem ganzen Theater vergessen, dass Ihr verletzt seid!«, rief sie. »Schnell, ich bringe Euch zu Simon. Der soll Euch …«
»Ich glaube, das ist keine so gute Idee«, unterbrach Silvio sie ächzend, der sich mittlerweile an einer Säule festhalten musste. Sein Gesicht war leichenblass. »Vermutlich würdemir Euer amico so viel Blut abzapfen, dass man damit den Dom streichen könnte.«
Magdalena lächelte. »Da könntet Ihr sogar recht haben. Na gut, dann muss eben ich Euch gesund pflegen. Also gehen wir, Euer Haus ist ja Gott sei Dank gleich gegenüber.«
Sie fasste Silvio unter den Achseln und stützte ihn so beim Gehen.
»Ein wunderbares Gefühl, von Euch getragen zu werden«, murmelte der kleine Venezianer. »Ich hoffe, ich werde noch lange Eure Hilfe brauchen.«
»Redet keinen Unsinn«, erwiderte Magdalena scharf. »Ein paar Verbände und blutstillende Kräuter vom Markt, und Ihr seid wieder ganz der Alte. Die Wunden sind gar nicht so schlimm, wie ich zuerst dachte. Und jetzt stellt Euch nicht so an und versucht, selbst ein wenig zu gehen. Ihr Männer seid doch alle Jammerlappen!«
Leise fluchend stapfte Simon über den Domplatz, fast verschluckt vom dichten Nebel, der in der letzten Stunde über die Stadt gekommen war. Vergeblich sah er sich nach Nathan um, der hier eigentlich auf sie warten sollte. Hatte sich der Bettlerkönig etwa heimlich verdrückt?
Simon wagte nicht zu rufen, und so irrte er noch ein wenig über den Vorplatz, bevor er in die nächstbeste Gasse einbog. Er brauchte einen klaren Kopf! Was war nur mit ihm los gewesen? Er hatte die Kontrolle über sich verloren, und jetzt glaubte Magdalena, er wäre tatsächlich eifersüchtig.
Was noch viel schlimmer war – dieser venezianische Hofnarr glaubte es auch.
Seufzend musste sich Simon eingestehen, dass seine Eifersucht nicht nur eingebildet war. Silvio Contarini hatte alles,wovon er als armer Medicus nur träumen konnte. Geld, schöne Kleider, Einfluss, Macht … Dinge, die er Magdalena niemals würde bieten können. Er blieb ein kleiner Quacksalber ohne Empfehlungen, ohne auch nur ein einziges Dokument einer ehrwürdigen Universität. Und mit seiner Flucht aus Schongau hatte er auch noch das letzte bisschen Ansehen verloren!
Simon sah an sich herab. Sein Rock und sein Hemd waren zerrissen und schmutzig. Er hatte kein Geld, schlief in feuchten Kellern bei Bettlern, und sein Mädchen trieb sich in Ankleidezimmern von Männern herum, denen er nie würde das Wasser reichen können.
Er war am Ende.
So betrübt war Simon, dass er die beiden Wachen erst bemerkte, als er förmlich in sie hineinstolperte.
»Wen haben wir denn da?«, brummte einer der Nachtwächter, der mit einem Spieß bewaffnet war und Simon wie einen Lausejungen am Schlafittchen hielt. »Wohl eine Nachteule, wie? Weißt du denn nicht, dass der Ausgang nachts verboten ist? Und jetzt ist es, glaube ich …« Er tat so, als würde er gemeinsam mit seinem Kollegen den Mond suchen. »Jedenfalls keine passende Uhrzeit für dich, nicht wahr?«
Simon nickte ergeben, während er gleichzeitig fieberhaft nach einem Ausweg suchte. Er musste davon ausgehen, dass alle Wachen eine Personenbeschreibung der Brandstifter erhalten hatten. Glücklicherweise hatten sie ihn noch nicht erkannt, aber das konnte sich sehr schnell ändern.
»War noch einen heben unten am Fluss«, lallte er, in der Hoffnung, dass die zwei Wachmänner auf sein Schmierentheater hereinfielen. »Is wohl n bisschen spät geworden.«
»Daskannst du laut sagen«, knurrte der zweite Nachtwächter, der ihm eine Laterne direkt ins Gesicht hielt und ihn dabei misstrauisch musterte. »Nun, für solche wie dich haben wir eine nette Wirtsstube. Ein bisschen zugig
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