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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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auf den Kirchenboden. Dort blieb er liegen, so dass Magdalena schon glaubte, er wäre tot. Doch schließlich erhob sich der Fremde schwer atmend. Er tastete nach seinem Rapier, taumelte, griff immer wieder Halt suchend um sich, wie ein Betrunkener. Auf diese Weise bahnte er sich Schritt für Schritt seinen Weg durch das Mittelschiff des Doms. Er schien die Orientierung verloren zu haben, trotzdem machte er weiterhin einen gefährlichen Eindruck.
    Schonwollten Simon und Magdalena ihm hinterhereilen, als nicht weit entfernt ein Stöhnen zu hören war. Es kam von Silvio, der schwerer verletzt schien, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Der Venezianer blutete am linken Arm und am Oberkörper, ein roter, glänzender Strich zog sich über seine rechte Wange. Keuchend richtete er sich auf, doch schon im nächsten Moment kippte er wieder zur Seite und blieb am Boden liegen.
    »Mein Gott, Silvio!« Mit schnellen Schritten rannte Magdalena auf den Gesandten zu. Kurz war Simon versucht, dem Fremden zu folgen, aber als er wieder hochblickte, war der Mann bereits verschwunden. Nebel drang durch das weit geöffnete Kirchenportal.
    »Grazie« , keuchte Silvio. Er lehnte sich schwer atmend gegen den Sarkophag. »Wenn Ihr nicht diese Statue geworfen hättet, dann …«
    »Ich war Euch noch ein Kleid schuldig«, sagte Magdalena und untersuchte oberflächlich die Wunden des Venezianers. »Sagen wir, wir sind quitt.«
    »Was für ein Kleid?«, fragte Simon irritiert, der mittlerweile hinter der Säule hervorgekommen war. »Was hat dieser Venezianer mit deinem Kleid zu schaffen?«
    Magdalena seufzte. »Es ist nicht so, wie du denkst. Er hat mir …«
    »Ich habe ihr ein Ballkleid aus meiner Ankleidekammer geliehen«, unterbrach sie Silvio und richtete sich schwerfällig auf. Mit einem weißen Spitzentuch wischte er sich das Blut aus dem Gesicht. »Sie sah reizend damit aus. Eine echte principessa !«
    Simon zog die Brauen nach oben. »Ein Ballkleid , soso. Das hast du mir gar nicht erzählt, principessa .«
    »Himmelherrgott, weil es nicht wichtig war!«, fluchte Magdalena, so laut, dass es im Dom widerhallte. »Hier laufenMeuchelmörder herum, mein Vater wird wahrscheinlich gevierteilt, und du hast nichts Besseres zu tun, als dich wie ein eifersüchtiger Gockel aufzuspielen!«
    » Ich und eifersüchtig? Lächerlich.« Simon fuhr sich durch die Haare und nahm Haltung an. »Man wird ja wohl noch mal nachfragen dürfen, wenn sich die eigene Verlobte in einer fremden Ankleidekammer vor ausländischen Mannsbildern wie ein Flittchen auftakelt.«
    Jetzt platzte Magdalena endgültig der Kragen. »Flittchen!«, zischte sie. »Das sagt grad der Richtige, du Stenz!« Ihre Stimme überschlug sich. »Und überhaupt, was heißt hier Verlobte ? Noch nicht mal einen richtigen Antrag hast du mir gemacht. Immer nur Ausreden! Wann hast du mir mal ein Kleid geschenkt, oder wenigstens ein Schleiferl, ha? Da lass ich’s mir einmal gutgehen, und dann käm er daher, der studierte Hungerleider, und will mir vorschreiben, wie ich zu leben habe. Schleich dich doch, du abgefieselter Hallodri!«
    Ihre letzten Worte hallten durch den Dom, dann kehrte plötzlich Stille ein.
    Simon verbeugte sich förmlich. »Ich habe verstanden. Eine angenehme Nacht wünsch ich den beiden noch.«
    Er machte auf dem Absatz kehrt und ging auf das Hauptportal zu, wo der Pfarrer gerade zur Vorbereitung des Vigilgebets die Tür öffnete. Aufrechten Haupts verließ Simon den Dom, wobei er auf der Schwelle leicht stolperte und sich an dem verdutzten Pater festhalten musste.
    »Dahinten braucht jemand die Beichte, Hochwürden«, sagte der Medicus. »Hochmut und Zorn. Zwei Todsünden. Lasst die Dame nicht unter hundert Vaterunser hier raus.«
    Bevor der verwirrte Pfarrer etwas erwidern konnte, war Simon im Nebel der Nacht verschwunden.
    Weiterhinten in der Nische des Doms seufzte Silvio und richtete seine Augen Richtung Decke.
    »O Invidia!«, klagte er. »Euer amico ist eifersüchtig. Das habe ich nicht gewollt!«
    »Ach was, der kommt schon wieder runter von seinem hohen Ross«, sagte Magdalena, doch in ihrer Stimme schwang ein leichter Zweifel mit. Vielleicht war sie ein bisschen zu weit gegangen. Sie wusste, dass Simon darunter litt, ihr nicht das Leben bieten zu können, das sie beide sich vorstellten.
    »Vermutlich wartet er draußen vor der Tür auf uns«, beruhigte sie sich selbst. »Sagt mir jetzt lieber, was Ihr hier in der Kirche verloren habt. Ihr habt mir doch nicht

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