Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
noch Platz für einen einzigen Gedanken.
Rache.
»Wie hat das nur passieren können!«, zischte der eine von ihnen. Er ließ die Knöchel seiner Fäuste knacken, dass es weit über den menschenleeren Kai zu hören war. »Wir waren so nah dran, und dann entwischt er uns wie eine Maus ins Loch. Jetzt sitzt er im Bischofshof, schlägt sich den Bauch voll und wimmert um Asyl! Eine gottverdammte Schande ist das!«
»Der Bischof kann ihn nicht ewig bei sich lassen«, erwiderte der andere ruhig. Seine Stimme war klirrend kalt wie ein Morgen am Dreikönigstag. »Nicht einen vielfachen Mörder auf der Flucht, das wagt er nicht.«
»Wie ist er überhaupt aus dem Kerker entkommen, hä?«, fragte der zweite Mann. »Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu. Es heißt, die Wache wäre eingeschlafen, pah!«
Der andere nickte. »Ich hab da einen ganz bestimmten Verdacht. Wenn der stimmt, dann wird dieser Teuber seine Kinderlein selber foltern dürfen. Aber eins nach dem andern …« Leere Augen musterten den aufgedunsenen Kadaver einer Wildente, der im Fluss an ihnen vorübertrieb. Schließlich sprach er gelassen weiter. »Der Bischof wird den Kuisl jedenfalls irgendwann ausliefern, und dann machen wir dort weiter, wo wir aufgehört haben.«
»Und wenn nicht?«, blaffte die zweite Gestalt. »Diese Pfaffenspielen gerne ihre Spielchen mit der Stadt. Kann gut sein, dass der Kuisl bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag im Bischofshof bleibt. So lange kann ich nicht warten! Seit Jahren sehne ich diesen Augenblick herbei. Ich will meine Rache, ich will …«
»Halt’s Maul!«, unterbrach ihn der Mann mit der kalten Stimme und verpasste dem anderen eine Maulschelle, dass der fast kopfüber ins Hafenbecken fiel. »Du bist wie ein Kind, dem man sein Spielzeug weggenommen hat. Meinst du etwa, ich will keine Rache? Er hat die Inschrift im Kerker gelesen. Unten in der Fragstatt hatte ich ihn fast so weit, dass er mich erkannt hat. Jedenfalls in seinen Alpträumen …« Ein schmales Lächeln kräuselte sich über seine Lippen, dann wurde er wieder ernst. »Aber wir müssen vorsichtig sein, sonst stellen die anderen Fragen. Ich habe lange dran gearbeitet, dass mich in Regensburg keiner mehr unter meinem alten Namen kennt. Ich war beim Verhör fast ein wenig zu … stürmisch. Das war ein Fehler. Wir müssen ruhig bleiben, wir beide. Auch wegen der anderen Sache.«
Der zweite Mann hielt sich leise wimmernd die Nase, aus der Blut und grüner Rotz in die Donau tropften. Wieder einmal, wie schon so oft, stieg Zorn in ihm auf. Warum ließ er sich das nur gefallen? Warum brach er dem anderen nicht einfach das Genick? Aber dann schluckte er die Wut herunter, wie er es sein Leben lang getan hatte.
»Was schlägst du also vor?«, fragte er stattdessen.
Der Mann mit der kalten Stimme spuckte ins Wasser. »Du hast recht«, zischte er, »wir wissen nicht, wann der Bischof ihn wieder rauslässt. Außerdem sind seine Tochter und dieser neunmalkluge Quacksalber bei ihm. Sie stecken die Köpfe zusammen mit dem fetten Braumeister. Und sie wissen vom Heiligen Feuer …«
»Gottverflucht!Woher weißt du das?«
»Das kleine Wiesel hat es mir gesagt. Der verfluchte Intrigant weiß alles über die beiden. Er meint, wir sollten uns schleunigst etwas einfallen lassen.« Er grinste. »Aber keine Sorge. Ich hab schon einen Plan.«
»Und?«, fragte der zweite Mann hoffnungsvoll. Er liebte es, wenn der andere einen Plan ausheckte. Er war so schlau, so gottverdammt schlau und gerissen!
Der andere zögerte. Als er weitersprach, klangen seine Worte kurz und abgehackt. Er hatte alles genau bedacht, sie durften jetzt keinen Fehler mehr machen. »Wir müssen die Maus wieder aus ihrem Loch locken«, murmelte er. »Mit einem Köder. Dafür müssen wir allerdings erst an ihn rankommen.«
»Du willst in den Bischofshof?«
Der Mann nickte. »Ich kenn ein paar von den Wachen dort, das sollte kein Problem sein. Ich werde unserem Jakob ein paar Zeilen schreiben, die er nicht vergessen wird.« Wieder spielte ein Lächeln um seine Lippen. »Wir müssen ihn dort hinbringen, wo alles begann. Das hätten wir schon viel früher machen sollen. Nur wir zwei und er. So muss es sein.«
Der zweite Mann nickte begeistert. »Nur wir zwei und er! Wie früher! Jakob Kuisl wird sich noch nach der Folter sehnen!« Plötzlich zog er die Stirn in Falten. »Und wenn dieser dicke Braumeister schon zu viel weiß? Wenn ihm die anderen das Heilige Feuer verraten haben?«
Der Mann mit der kalten
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