Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
hoffnungsvoll an. Bis jetzt hatte sie meist geschwiegen und Simon das Erklären überlassen, doch jetzt ging es um das Schicksal ihrer Familie. »Ihr liefert ihn also nicht der Stadt aus?«, fragte sie nach. »Ihr gewährt ihm Asyl?«
»Wiekann der Bischof einem derart Zugerichteten das Asyl verweigern?«, erwiderte Hubertus. »Das ist in Dreiteufelsnamen unsere verfluchte Pflicht als Hirten Gottes – auch wenn uns diese Pflicht manchmal verdammt schwerfällt.« Den letzten Satz hatte er seufzend hinzugefügt.
Simon atmete auf, Magdalenas Vater war wohl zunächst gerettet. Bereits gestern Abend hatten sie gemeinsam Jakob Kuisl in die Kammer des Braumeisters gebracht und frisch verbunden. Seitdem schlief der Henker wie ein Toter. Simon hatte nur kurz seine Wunden, Brandmale und blauen Flecken untersucht. Weder er noch Magdalena mochten sich ausmalen, was ihr Vater in den letzten Tagen durchgemacht haben musste.
»Macht euch bloß nicht zu viel Hoffnung«, fuhr der dicke Mönch fort. »Ich habe den Bischof lediglich überreden können, dass ihr eine gewisse Zeit hierbleiben dürft. Drei Tage!« Er hielt Simon und Magdalena seine fetten, schwabbligen Finger direkt vors Gesicht. »Drei Tage, mehr nicht. So lange habt ihr Zeit, die Unschuld dieses Mannes zu beweisen. Dann übergeben wir ihn und auch euch den städtischen Wachen. Und damit das klar ist, diese Frist habt ihr nur meinem guten Zureden zu verdanken! Ginge es nach dem Bischof, würdet ihr alle drei bereits jetzt im Rathauskeller vermodern.«
Simon nickte zaghaft. »Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich Euch danke. Es tut mir leid, dass ich Euer Vertrauen so schamlos ausgenutzt habe.«
»Ach was!« Pater Hubertus nahm einen tiefen Schluck von seinem Humpen. »Redet nicht so geschwollen daher und macht Euch lieber an die Arbeit.«
»Ihr habt recht«, erklärte Simon, jetzt wieder mit fester Stimme. »Die Zeit drängt. Umso wichtiger ist es jetzt, dass Ihr uns endlich sagt, was es mit diesem Pulver auf sichhat. Gestern Nacht meintet Ihr, Ihr kennt sein Geheimnis. Also, spannt uns nicht länger auf die Folter – was ist es?«
Der Franziskaner sah Simon lange nachdenklich an. »Tatsächlich wollte ich Euch gestern sagen, was das für ein gottverfluchtes Pulver ist«, knurrte Hubertus schließlich. »Aber sagt selbst, Fronwieser, kann ich Euch wirklich noch trauen? Wer sagt mir, dass Ihr nicht auch auf der Suche nach diesem Teufelszeug seid? Dass Ihr mich nicht schon wieder anlügt? Ein Doktor vor dem Regensburger Collegium, pah! »
»Ich gebe Euch mein Wort als Arzt«, stammelte Simon.
»Euer Wort gilt hier so viel wie ein feuchter Arschwisch«, blaffte Hubertus. »Glaubt mir, dieses Pulver ist zu gefährlich, als dass ich mich weiter in die Hände eines fragwürdigen, dahergelaufenen Quacksalbers begebe.« Er stand auf und richtete sich zu seiner ganzen imposanten Größe auf. »Ich sage Euch, was ich machen werde. Ich werde weitere Erkundigungen einziehen. Erst wenn ich davon überzeugt bin, dass dieses Zeug keinen Schaden mehr anrichten kann, werde ich Euch sein Geheimnis verraten.«
Simon starrte ihn mit offenem Mund an. »Aber … aber wie sollen wir dann Magdalenas Vater helfen?«, stotterte er. »Wir müssen wissen, was …«
»Was Ihr müsst, ist mir egal«, unterbrach ihn der Braumeister. »Morgen früh sollt Ihr von mir aus mehr erfahren. Bis dahin ist mir die Sache zu gefährlich. Dieses Geheimnis kann uns alle zusammen noch um den Verstand bringen. Wenn es stimmt, was ich glaube …« Er brach ab, und seine Miene verdüsterte sich. »Kümmert Euch lieber um Euren zukünftigen Schwiegervater. Sonst verreckt uns der noch vor Ablauf der Frist.«
Mitdiesen Worten wandte er sich ab und verließ leicht schwankend das Brauhaus. Krachend fiel die Tür hinter ihm zu.
Der Medicus seufzte und trommelte mit den Fingern auf den zerfurchten Tisch.
»Und jetzt?«, fragte Magdalena. »Was machen wir jetzt, du Gscheidhaferl?«
»Hast du doch gehört«, erwiderte Simon schroff. »Wir kümmern uns um deinen Vater. Das ist wenigstens etwas, was ich kann.«
Er stand abrupt auf und ging an den dampfenden Braukesseln vorüber, bis er im hinteren Teil des großen Gewölbes zu einer kleinen Holztür gelangte. Sie führte in eine niedrige Kammer, in der ein schlichtes Bett und eine Truhe mit Metallbeschlägen standen. Sonst war dies der Schlafraum des Braumeisters, doch Pater Hubertus hatte ihn bereits gestern für Jakob Kuisl geräumt. Laut rasselnd
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