Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
mir!«
Die Dienerin musterte sie skeptisch. Magdalena konnte förmlich spüren, wie ihre Blicke sie abtasteten. »Der Herr ist nicht da«, erwiderte die Dienerin schließlich, nun nicht mehr ganz so abfällig. »Ist wie so oft drüben im ›Walfisch‹ und spielt Karten. Gib dir keine Mühe, er hat sicher schon eine andere auf seinem Schoß.« Den letzten Satz hatte sie mit einer gewissen Genugtuung ausgesprochen.
Magdalena stöhnte leise. Das hätte sie sich auch denken können! Natürlich hielt sich Silvio in seinem Lieblingsgasthof auf.
»Hab Dank«, sagte sie und wandte sich zum Gehen. Plötzlich drehte sie sich noch einmal um. »Ach, wenn ich Silvio nicht treffe, könntest du ihm …«
Mit einem lauten Krachen schlossen sich die Fensterläden.
»Blöde Trudschn«, murmelte die Henkerstochter. »Wahrscheinlich hat dich dein Herr selbst schon mal aus dem Bett geschmissen. Flachbrüstiger, verbitterter Besen!«
Doch das Fluchen half ihr auch nicht weiter. Das Fenster blieb verschlossen, und so machte sie sich seufzend auf den Weg zum ›Walfisch‹.
Der Gasthof lag östlich der Schwibbögen, nicht weit vom Bischofshof entfernt. Wieder wählte sie einen Umweg durch kleine unbeobachtete Gassen, bis sie schließlich das warm leuchtende Haus vor sich erblickte. Mit seinen Butzenscheiben, durch die das Licht der Kerzen auf die Straße fiel, wirkte der ›Walfisch‹ wie ein heller Sternin der Nacht. Das Wirtshaus schien der einzige Ort in Regensburg zu sein, wo um diese Zeit noch Leben war. Magdalena vermutete, dass die Wirtin der Stadt dafür einen ordentlichen Batzen Geld zahlte. Eine Investition, die sich ganz offensichtlich lohnte, denn von drinnen waren lautes Singen und Gelächter zu hören. Die Tür öffnete sich, und heraus torkelten drei Flößer, die offenbar ihre letzten Heller versoffen hatten und nun lallend und krakeelend Richtung Floßlände taumelten.
Magdalena biss sich auf die Lippen. Sollte sie sich wirklich in die Höhle des Löwen begeben? Vermutlich gab es außer der Wirtin dort drinnen keine einzige Frau. Wenn sie nun hereinstolzierte, waren ihr die Blicke sämtlicher Gäste gewiss. Von den Wachen mal ganz abgesehen, die möglicherweise dort drinnen auf sie warteten. Trotzdem musste sie es riskieren!
Noch einmal band sie ihr schwarzes Tuch über dem Kopf zusammen, atmete tief durch und öffnete die Türe. Schon im nächsten Augenblick schlug ihr eine warme Woge unterschiedlichster Gerüche entgegen; sie roch Männerschweiß, Branntwein, Tabak, Rauch und die schalen Überreste irgendeines Eintopfs. Der niedrige Gastraum mit seiner verrußten Decke war bis auf den letzten Platz besetzt. An den Tischen saßen Flößer, Handwerker und junge stiernackige Gesellen vor ihren schäumenden Humpen, plärrten Lieder, spielten Karten oder würfelten. Hinten auf der Ofenbank erkannte Magdalena den venezianischen Gesandten, der mit drei grobschlächtigen Burschen die Würfel rollen ließ. Neben den in Leinenhemden und Lederwesten gekleideten einfachen Männern wirkte der Venezianer wie ein bunter Paradiesvogel. Er trug ein rotes Hemd mit weißen Bändern, eine gebauschte, weite Hose und auf dem Kopf den verwegen aussehenden Hut eines Musketiers,mit Feder und hochgeschlagener Krempe. Offenbar war Silvio gerade am Gewinnen, jedenfalls war er so vertieft in sein Spiel, dass er die junge Frau in der Eingangstür gar nicht zu bemerken schien.
Den anderen Männern hingegen war Magdalenas Auftauchen nicht entgangen. Einige der Handwerker starrten sie lüstern an und zogen sie mit Blicken aus, andere pfiffen oder fuhren sich mit der Zunge über ihre schwarzen Zahnstumpen.
»Heda, Süße!«, grölte ein schmerbäuchiger Flößer mit krausen Locken. »Hast noch nicht genug verdient für heute? Komm, setz dich zu mir und kraul mir meinen Bart.«
»Was andres soll sie dir kraulen, Hans!«, polterte sein Gegenüber und wischte sich mit dem Hemdsärmel über die fettigen Lippen. »Komm schon, Mädchen. Nimm das hässliche Tuch runter und zeig uns, was du hast!«
»Runter mit dem Tuch! Runter mit dem Tuch!«, forderten jetzt etliche Männer von den Nachbartischen. »Wir wollen das Weibsbild sehen!«
Plötzlich zersplitterte etwas mit lautem Klirren. Die Menge verstummte und wandte sich Silvio zu, der von der Ofenbank aufgestanden war und fast ein wenig nachdenklich die zerbrochene Flasche in seiner Hand musterte. Er hob den Flaschenhals ins Licht der trüben Deckenlampe, so dass die rasiermesserscharfe Scherbe
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