Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
und er hat Einfluss. Bei ihm können wir uns verstecken, bis die Luft rein ist.« Sie verzog spöttisch die Mundwinkel. »Jedenfalls besser als in irgendeiner stinkenden Scheune oder in einem Schweinekoben, und nach meinem Vater können wir von dort aus auch Ausschau halten.«
»Und wer garantiert, dass dein geliebter Silvio uns nicht stante pede den städtischen Wachen ausliefert, hä?« Simon wischte sich die mit Steinstaub verschmutzten Hände an seinem Rock ab. Seine Augen bildeten plötzlich kleine schmale Schlitze. »Hat Mademoiselle Neunmalklug daran schon gedacht?«
»Das würde Silvio nicht tun. Er ist Venezianer, die Belange der Stadt sind ihm ziemlich egal. Außerdem mag er mich.«
»Aha, daher weht der Wind!«, ereiferte sich Simon. »Du fühlst dich von ihm geschmeichelt.«
»Er ist eben ein Kavalier. Was ist daran so verkehrt?«
»Nun, wenn dem so ist, dann lass dir doch von deinem Kavalier mal wieder eine neue Garderobe verpassen.« Simon kam jetzt in Fahrt, er hatte sichtlich Mühe, seine Stimme zu dämpfen. »Vielleicht macht ihr ja bei Gelegenheit eine hübsche Kutschfahrt zum Markusplatz in Venedig oder gleich nach Paris. Aber euren Lakaien spiel ich nicht!«
»Pluster dich nur nicht so auf, du Gockel«, zischte Magdalena. »Wer hat sich denn damals an diese Benedikta rangeschmissen? Gebuckelt hast du vor der, dass es nicht mehr zum Anschauen war!«
Simonverdrehte die Augen. »Das ist fast zwei Jahre her. Ich weiß nicht, wie oft ich mich dafür schon entschuldigt …«
»Vergiss es«, unterbrach ihn Magdalena schroff. »Dein genialer Rettungsplan hier ist jedenfalls so ziemlich ins Wasser gefallen, oder sagen wir lieber, in den Bierzuber. Dein Braumeister ist tot, also versuchen wir es jetzt eben mit meinem Venezianer. So einfach ist das.«
» Mein Venezianer«, äffte Simon sie nach. »Meinst du, ich merk nicht, wie der Zwerg dir den Hof macht? Ihr Weiber seid doch alle gleich. Ein neues Kleid, und ihr könnt nicht mehr gradaus sehen.«
Die Ohrfeige erwischte ihn so hart auf der linken Wange, dass das Klatschen durch das Gewölbe hallte.
»Mach doch, was du willst, du Scheusal«, zischte Magdalena. »Schlaf von mir aus im Schweinekoben oder lass dich in Biersud kochen. Ich jedenfalls geh zu Silvio, der hat wenigstens noch Manieren. Und meinem Vater kann er sicherlich auch helfen.« Sie warf ihm einen bösen Blick zu. »Jedenfalls besser als du.«
Ohne ein weiteres Wort ließ sie ihr Bündel in das schwarze Loch gleiten, hievte sich über die hüfthohe Mauer und war nach wenigen Augenblicken in der Dunkelheit verschwunden.
Der Raum hinter der Tür war düster und modrig, es stank nach Schimmel und feuchtem Holz. Leise verfluchte sich Magdalena, dass sie keine Fackel mitgenommen hatte. Aber jetzt konnte sie nicht mehr umkehren. Wie würde das vor Simon aussehen? Beim Gedanken an ihn geriet ihr Blut wieder in Wallung. Was war er nur für ein eifersüchtiges, selbstsüchtiges Ekel! Konnte er nicht erkennen, dass ihr Plan einfach der bessere war? Bei Silvio waren sie vorläufigin Sicherheit und konnten möglicherweise nach ihrem Vater Ausschau halten. Magdalena spürte, dass er in Schwierigkeiten war. Sein Gesicht war vorhin kalkweiß gewesen, so blass und erschrocken hatte sie ihren Vater noch nie erlebt. Er brauchte ihre Hilfe, auch wenn er das selbst niemals zugeben würde.
Aber Simons Verstand war vor Neid und Eifersucht manchmal wie vernagelt! Nun, sollte er doch selber sehen, wo er blieb. Sicherlich würde er ihr schon bald folgen und seinen Fehler einsehen. Vielleicht sollte sie hier in der Dunkelheit auf ihn warten und ihn ordentlich erschrecken? Zumindest das hätte der Mistkerl verdient!
So in Gedanken versunken war sie, dass sie die Holzwand erst bemerkte, als sie mit dem Kopf frontal dagegenstieß. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt sie sich die pochende Stirn. Blind tastete sie vor sich und stellte fest, dass da keine Wand, sondern ein mannshoher Maischezuber aufragte. Auch links und rechts davon standen offenbar große Holzbehälter. Verzweifelt versuchte sie den Zuber zur Seite zu schieben. Sie stemmte sich mit beiden Händen dagegen, nur um Sekunden später durch die morschen Dauben zu brechen. Magdalena taumelte nach vorne, hielt sich vergeblich an einem der rostigen Eisenringe fest und stürzte schließlich in einen dahinterliegenden verstaubten Vorratskeller. Gegenüber war ein grauer Spalt zu erkennen, durch den das Licht des Mondes fiel. Allerhand Gerümpel
Weitere Kostenlose Bücher