Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
Schiff in stürmischer See wieder auf.
Magdalena und Silvio hatten mittlerweile den Ausgang erreicht. Als die Henkerstochter sich noch einmal umblickte, konnte sie erkennen, wie der glatzköpfige Fremde sein Rapier zückte. Schreiend stoben die Männer auseinander, eine Gasse entstand, durch die ihnen der Mann nacheilte.
»Schnell weg!«, rief Silvio und zog sie hinaus auf die Gasse. »Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren!«
Irgendwo hinter ihnen, nur wenige Schritte entfernt, folgte ihnen der Fremde, er schien etwas zu rufen, doch Magdalena konnte es wegen des Lärms nicht verstehen.
Atemlos taumelte sie hinaus auf die Straße.
Trotz der fast undurchdringlichen Dunkelheit schien Silvio sich in der Stadt wie ein Einheimischer zurechtzufinden. Er zog Magdalena in eine schmale Nebengasse und rannte mit ihr davon. Hinter ihnen ertönten die Schritte desFremden auf dem lehmigen Boden. Plötzlich glaubte Magdalena Schritte von mehreren zu hören, es mussten mindestens zwei weitere Männer sein. Hatte ihr Verfolger vielleicht Verstärkung erhalten? Bei den zwei letzten Begegnungen zwischen Silvio und dem Meuchelmörder waren sie immer nur knapp entkommen. Sollte der andere jetzt Hilfe bekommen, hätten sie keine Chance.
Doch zum Nachdenken blieb keine Zeit. Immer wieder bog Silvio in eine noch kleinere Gasse ab, schließlich verriet Magdalena ein Geruch nach fauligem Fisch und Abwasser, dass sie sich offenbar der Schiffslände näherten. Zwischen den Häusern erschien nun die Mole, auf der Kisten und Fässer zu wackligen Türmen gestapelt waren. Im Hintergrund dümpelten einige Kähne am Ufer der Donau, ein Holzkran ragte als dunkler Schemen von einer Kaimauer auf. Mit langen Schritten lief Silvio der Mole entgegen.
Als Magdalena sich umdrehte, konnte sie den Fremden sehen, der sich ihnen bereits bis auf wenige Schritte genähert hatte. Die Henkerstochter fluchte leise. Wieso nur hatte Silvio sie beide in diese gottverlassene Gegend gebracht? Im ›Walfisch‹ wären sie doch sicher gewesen! Der Fremde hätte sie bestimmt nicht vor all den Leuten angegriffen, hier jedoch waren sie ihm schutzlos ausgeliefert! Erneut waren weitere Schritte zu hören, offenbar hatten sie es jetzt tatsächlich mit mehreren Gegnern zu tun.
Silvio sprang hinüber auf einen leeren Kahn, der an der Kaimauer festgeleint war, und winkte ihr, ihm zu folgen. Als Magdalena ihm nachsetzte, spürte sie, wie das fast zehn Schritt lange Boot unter ihr zu schaukeln begann. Wollte der Venezianer den schwankenden Grund etwa zu seinem Vorteil nutzen?
Mit einem gewaltigen Satz landete auch der Fremde auf demKahn. Seine Stimme klang seltsam hoch und schrill, fast wie die eines Kindes.
»Im Namen des …«, begann er, doch Silvio ließ ihm keine Zeit für weitere Worte. Mit einem Schrei stürzte der Venezianer sich auf seinen Verfolger, zog seinen Degen und setzte sofort zu einem Ausfall an, den der Fremde geschickt parierte. Immer wieder kreuzten sich beider Klingen, der Kampf wogte von der einen Seite des Schiffes zur anderen. Dabei mussten die Kämpfer immer wieder über Taurollen und glitschige Holzbänke springen, hinzu kam ein beständiges leichtes Schaukeln, das beiden ein Höchstmaß an Geschicklichkeit abverlangte.
Magdalena kauerte derweil ganz hinten auf der Heckbank und beobachtete von dort aus, wie die Männer mit Schweißströmen auf der Stirn aufeinander einhieben. Silvio war ein exzellenter Degenfechter, doch der glatzköpfige Fremde beherrschte das Rapier, als wäre er damit geboren worden. Immer wieder fand er eine Lücke in der Deckung des Venezianers, und dieser konnte erst im letzten Augenblick parieren.
Silvio stand jetzt ganz vorne am Bug, die Lederstiefel rutschten über die schwankende Reling; sein Gegner setzte zu einem Stich an, der den Gesandten beinahe über Bord fallen ließ. Doch mit der Wendigkeit einer Katze katapultierte sich Silvio plötzlich nach oben, wo das Tau des Krans direkt über ihm hing; er griff danach und schwang sich über den Fremden hinweg. Als er in der Mitte des Bootes wieder auf dem Boden landete, schaukelte der Kahn so gewaltig, dass Magdalena Angst hatte, er würde jeden Moment umstürzen.
Der Fremde hatte sichtlich Probleme, das Gleichgewicht wiederzufinden, er torkelte nach links und rechts wie ein Betrunkener. Doch schließlich stand er erneut aufrecht;in einem perfekten Halbkreis ließ er die Klinge herumfahren und erwischte Silvio mit der Rapierspitze am Hemd, das mit einem hässlichen
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