Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
Vom Netzwerk:
und schneller.
    Wie Sand im Stundenglas, dachte er, die Zeit verrinnt. Wenn ich mich nicht beeile, werde ich Magdalena vielleicht nicht mehr einholen.
    Etwas hielt ihn mit einem Mal zurück, eine plötzliche Ahnung, die er zunächst nicht einordnen konnte. Interessiert betrachtete Simon die einzelnen Roggenkörner auf seiner Handfläche. Sie waren gelb und fest, kleine Perlen, die aufplatzten, wenn man sie lange genug zwischen den Fingern knetete. In ihrem Inneren befand sich weißes, feuchtes Mehl.
    Doch einige der Körner waren anders. Sie schimmerten blau. Als Simon sie zerrieb, verbreiteten sie einen muffigen, widerlich süßen Geruch.
    Er kannte diesen Geruch.
    Dem Medicus stockte der Atem. Es war der gleiche Gestank, den er zunächst im Vorratskeller des Baders und später in dessen unterirdischer Alchimistenküche wahrgenommenhatte. Dort, wo er und Magdalena auf die verbrannten Überreste des Pulvers gestoßen waren. Mehrere Zentner mussten dort unten gelagert haben.
    Das Pulver! Mein Gott …
    Was hatte Pater Hubertus kurz vor seinem Tod gesagt?
    Dieses Geheimnis kann uns alle zusammen noch um den Verstand bringen …
    Simon schlug sich an die Stirn. Der tote Braumeister im Braukessel, Jakob Kuisl, ja sogar Magdalena waren für kurze Zeit vergessen. Konnte das möglich sein? War das der Stein der Weisen? Er musste sichergehen, nur wie? Mit einem Mal fiel ihm das Herbarium wieder ein, das in der Küche des Franziskaners am Fenster lehnte. Mit klopfendem Herzen lief Simon durch das Brauhaus, öffnete die Küchentür und griff nach dem zerfledderten Buch. Zitternd entzündete er eine Talgkerze und setzte sich an den Tisch. Im flackernden Licht blätterte er die Seiten durch, bis er auf eine ganz bestimmte Abbildung und einige erklärende Zeilen stieß. Sie waren in warnendem Rot geschrieben.
    Beinahe hätte der Medicus hysterisch aufgelacht, doch dann packte ihn die Angst. Die Vorstellung war so monströs, so wahnsinnig, dass er sie zuerst nicht zulassen konnte. Doch Stück für Stück fügten sich die Mosaiksteine zusammen. Alles passte. Er riss die Seite aus dem Herbarium und steckte sie in seine Rocktasche.
    Endlich glaubte Simon zu wissen, was dieses verfluchte Pulver war, und wo er mehr davon finden würde.
    Viel mehr.
    Magdalena nahm ihr Tuch von den Schultern, wickelte es sich um den Kopf und ging gebückt, so dass sie von weitem aussah wie eine alte Magd. Sie war sich darüber im Klaren,dass diese Verkleidung nicht viel nützte. Schließlich war es mitten in der Nacht, auch alten Mägden war es verboten, um diese Zeit auf der Straße zu sein. Trotzdem fühlte sie sich so wenigstens ein bisschen geschützter.
    Geduckt huschte sie unter den Schwibbögen in westlicher Richtung davon, entschied sich aber, nicht vorn am Haupteingang des Bischofshofes vorbeizulaufen, wo sie vermutlich die Wachen erwarteten. Stattdessen machte sie einen Umweg und näherte sich dem Domplatz von der gegenüberliegenden Seite.
    Endlich hatte sie das Haus Heuport erreicht. Düster und bedrohlich ragte das Gebäude vor ihr auf, es hatte so gar nichts mehr von der anmutigen Noblesse, die es während eines sonnigen Tages ausstrahlte. In der Dunkelheit wirkte das Haus eher wie eine uneinnehmbare Trutzburg.
    Magdalena rüttelte an der Klinke des großen zweiflügligen Portals, nur um festzustellen, dass es erwartungsgemäß verschlossen war. Nach kurzem Zögern griff sie nach dem bronzenen Türklopfer in Gestalt eines Löwenkopfes und hämmerte gegen das Holz. Einmal, zweimal, dreimal … Die Schläge dröhnten wie das Klopfen eines Schmiedehammers in ihren Ohren. Wenn sie noch lange so weitermachte, weckte sie damit ganz Regensburg auf.
    Endlich öffnete sich im ersten Stock ein Fenster, und das verkniffene Gesicht einer Magd tauchte auf. Sie trug eine weiße Schlafhaube und blinzelte müde zu Magdalena hinunter. Es war die gleiche Magd, die Magdalena bei ihrem letzten Besuch so missmutig angestarrt hatte. Als sie die Henkerstochter jetzt dort unten erkannte, schienen ihre Augen kleine Blitze zu versprühen.
    »Scher dich davon!«, zischte sie. »Hier gibt’s für dich nichts zu holen, Hübschlerin.«
    Sie hält mich für eine Hure, dachte Magdalena verzweifeltund spürte einen Stich in der Herzgegend. Seh ich denn wirklich wie eine aus?
    »Ich muss den Gesandten sprechen«, sagte sie und versuchte, nicht hochmütig zu klingen. Wenn die Magd sie nicht reinließ oder die Wachen rief, war alles aus. »Es ist ein Notfall, bitte glaub

Weitere Kostenlose Bücher