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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Schornsteinen einzelner Häuser quoll. Bei seiner Ankunft in Regensburg hatte der Henker bemerkt, dass die Schäden aus dem Großen Krieg dort immer noch nicht behoben worden waren. Die Schanzanlagen vor der Stadt waren in einem fürchterlichen Zustand, überall klafften Risse, von Gras überwachsene Trümmer zeugten davon, dass der Stadt zurzeit das nötige Geld für den Wiederaufbau fehlte. Vielleicht gab es ja auch eine Lücke in der Stadtmauer …
    Gerade wollte Kuisl sich auf den Weg machen, als hinter ihm das Knirschen kleiner Steine zu hören war. Blitzschnell tauchte der Henker zur Seite ab, wobei er schmerzhaft auf seiner linken Schulter landete. Als er sich wieder aufrappelte, stand vor ihm eine kleine gebeugte Gestalt, die Hände abwehrend erhoben. Der Mann trug eine zerlumpte Hose und ein schmutziges Hemd, dessen ursprüngliche Farbe nicht mehr zu erkennen war. Er war barfuß und mager wie ein räudiger Köter; auf seinen verfilzten Haaren saß ein Strohhut, der offenbar nur noch von einem einzigen Lederband zusammengehalten wurde.
    »Um der lieben Jungfrau willen, tu mir nichts!«, kiekste das Männchen, das Kuisl an ein räudiges Frettchen erinnerte. »Ich will dir nichts Böses. Der Teuber schickt mich!«
    »Der Teuber? Wie um alles in der Welt …?« Erst jetzt bemerkte Kuisl, dass die zerlumpte Kreatur vor ihm stank wie eine Jauchegrube. Schlagartig wurde dem Henker klar, an was ihn die Hemdfarbe seines Gegenübers erinnerte. Der Mann musste buchstäblich in Mist gebadet haben.
    »Wohersoll der Teuber wissen, dass ich hier bin, hä?«, knurrte Kuisl. Er hob drohend die Hand. »Sag bloß die Wahrheit, sonst …«
    Das Frettchen duckte sich. »Wir haben dich beobachtet, seitdem du den Bischofshof verlassen hast. Auf Befehl des Henkers. Er meinte, wir sollen dich zu ihm bringen.«
    »Aber ich bin doch …«, begann Kuisl.
    Das Frettchen zwinkerte mit seinen kleinen wachen Augen. »Wärst uns auch fast entwischt. Gott sei Dank hat einer von uns dich hinten bei den Schwibbögen gesehen. Interessanter Eingang, wir …«
    »Red ned lang«, unterbrach ihn der Henker. »Sag mir lieber, wer du bist.«
    Zum ersten Mal grinste der kleine Mann. Sein Mund war fast zahnlos, nur ein einzelner schwarzer Stumpen ragte hinter der schrundigen Oberlippe hervor. »Ich? Du meinst wir.« Er machte eine leichte Verbeugung. »Gestatten, wir sind die Goldgräber.«
    Jakob Kuisls Mund blieb kurz offen stehen. »Die … Goldgräber?«
    Das Frettchen wandte sich ab. »Komm mit, dann wirst du verstehen.«
    Kuisl zögerte, dann folgte er der krumm gebeugten Kreatur. Dass es sich um eine Falle handelte, hielt der Henker für eher unwahrscheinlich. Keiner wusste von seiner Verbindung zum Regensburger Scharfrichter. Außerdem hätte auch ein einfaches Rufen oder Winken genügt, um die Wachen am Tor auf ihn aufmerksam zu machen. Warum sollte sich das stinkende Frettchen also die Mühe machen, ihn anzulügen?
    Kuisls Begleiter huschte Richtung Norden an der Stadtmauer entlang und sah sich dabei immer wieder vorsichtig nachallen Seiten hin um. So früh am Morgen waren erst wenige Menschen unterwegs, seltsamerweise machten sie alle einen großen Bogen um das schmutzige Männlein.
    Nach einer Weile fiel Kuisl auf, dass die Häuser um ihn herum immer ärmlicher wirkten. Meist waren es nur notdürftig zusammengezimmerte Katen, die sich an die Stadtmauer duckten. Dreck häufte sich auf den Gassen, die Jauche floss in breiten Bächen durch Gräben, die als Abfallgruben dienten. Gelegentlich mussten Kuisl und sein seltsamer Begleiter knöcheltief durch den Schlamm waten, wo magere, zerlumpte Kinder mit Kieselsteinen Murmeln spielten. Ein Karren fuhr an ihnen vorbei, beladen mit Tierkadavern und Mist und von einer weiteren schmutzigen Gestalt gezogen. Das Frettchen drehte sich zu Kuisl um und zwinkerte ihm erneut zu.
    »War schon immer eine schlechte Gegend hier, so nah an der Stadtmauer. Aber seit dem Krieg hat unsereins das Viertel fast für sich allein.« Er kicherte und deutete auf seine Nase. »Gleich sind wir da. Müssen nur unseren Zinken folgen.«
    Schließlich hatten sie das äußerste Ende der Stadt erreicht. In einem spitzen Winkel trafen hier die westliche und die nördliche Stadtmauer aufeinander. Erleichtert bemerkte Kuisl, dass sich nicht weit von ihm tatsächlich eine Lücke im Mauerwerk befand. Allerdings war sie durch etwas anderes gefüllt worden, das erst beim näheren Hinsehen zu erkennen war. Etwas, das Kuisl

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