Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
ungläubig. »Aber …«
»Weidenfeld, ha!« Jakob Kuisl kramte den zerknitterten Zettel hervor, den er erst vor gut zwei Stunden in seiner Brusttasche entdeckt hatte. »Der Hundsfott war im Bischofshof! Zuerst dacht ich, ich hätte geträumt. Bis ich diesen Brief hier gefunden hab.« Er hielt das Papier mit spitzen Fingern in die Höhe, als wäre es mit Gift bespritzt. »Er muss ihn mir im Schlaf zugesteckt haben. Wahrscheinlich hat er die Wachen am Eingangstor bestochen und ist so unbemerkt reingekommen. Oder er ist ein Geist.« Sein Gesicht verdüsterte sich. »Dieser Mann ist tot. Ich hab ihn eigenhändig umgebracht, er kann nicht mehr am Leben sein.«
»Geist oder nicht«, warf Teuber ein. »Wenn er auf Rache aus ist, warum hat er dir dann nicht einfach im Bischofshof die Kehle durchgeschnitten?«
»Das reicht ihm nicht. Er will mich quälen, solang es nur geht. Schau her.«
JakobKuisl reichte Teuber das Papier. Mit zusammengekniffenen Augen las der Regensburger Scharfrichter die wenigen Zeilen, dann pfiff er leise durch die Zähne.
»Stimmt das denn, was hier steht?«
Kuisls Mund wurde schmal wie die Schneide eines Messers. »Ich … weiß es nicht«, sagte er schließlich. »Um das rauszufinden, werd ich dem Sauhund jeden Fingernagel einzeln rausziehen. Und wenn’s ein Geist ist, prügel ich ihn höchstpersönlich zurück in die Hölle.«
Teuber runzelte die Stirn. »Aber wo willst du ihn suchen? Du hast doch keine Ahnung, wo sich dieser verfluchte Weidenfeld rumtreibt. Außerdem versteh ich immer noch nicht, was der Name zu bedeuten hat. Der Name des dritten Fragherrn ist jedenfalls ein anderer. Er lautet …«
»Trottel, damischer!«, fuhr Kuisl dazwischen. »Begreifst du denn immer noch nicht? Weidenfeld ist nicht der Name eines Mannes ! Es ist der Name eines Orts !«
Eine Weile herrschte Schweigen, nur das unermüdliche Schippen der Goldgräber hinter ihnen war zu hören.
»Eines … Orts?« Teuber schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber wieso …?«
»Schau her.« Jakob Kuisl nahm den zerrissenen Zettel und deutete auf die erste Zeile. » Schöne Grüße von Weidenfeld steht hier! Wie auf dem ersten Brief, den er Magdalena geschickt hat. Es sind Grüße von einem Ort! Unten im Kerker waren an der Wand all die Schlachtfelder aus meiner Vergangenheit hingekritzelt. Magdeburg, Breitenfeld, Rain am Lech, Nördlingen … Auch Weidenfeld. Das war er! Er hat sie alle dort hingeschrieben, um mich zu quälen. Sogar das Datum hat er genannt, verflucht!« Kuisls Augen schlossen sich, als ob er sich kurz an etwas erinnerte. »P.F.K. Weidenfeld, anno domini 1637 . Wie konnt ich diesen Tag nur vergessen! Es ist sein Todestag.«
»Weidenfeldist also ein Schlachtfeld?«, fragte der Regensburger Scharfrichter.
Kuisls Blick ging ins Leere. »Kein Schlachtfeld. Aber ein schlimmer Ort. Ein sehr schlimmer Ort. Ich hab versucht, ihn aus meinem Schädel zu verbannen. Aber ganz hinten, da spukt er seit Jahren herum. Als ich den Brief heut Nacht geöffnet hab, ist er mir wieder eingefallen.«
Teubers Augen weiteten sich. »Bei allen Heiligen, ich glaub, ich versteh langsam. Die zweite Zeile des Briefs …«
»Ich muss los«, unterbrach ihn Kuisl unwirsch. »Auf der Stelle. Er wird dort auf mich warten.«
Er begann, über den matschigen Haufen auf das Loch in der Stadtmauer zuzuschreiten. Plötzlich glitt er aus und fiel erneut auf seine verletzte Schulter.
»Verdammt!«
»Warte!« Teuber eilte ihm hinterher. »Du bist verletzt, hast keine Waffen. Du weißt nicht mal, wie du dieses Weidenfeld von hier aus findest. Wenn du jetzt …«
»Lass mich! Das verstehst du nicht!« Kuisl richtete sich auf und marschierte weiter auf den Gipfel des Misthügels zu, hinter der verfallenen Mauer leuchtete das grüne Band der Donau. Bald schon war der Schongauer Henker in der efeuumrankten Lücke verschwunden.
» Versteh ich nicht? Du verfluchter, vernagelter Sturschädel! Wer bist du? Mein Pfarrer?« Philipp Teuber nahm einen Steinbrocken und schleuderte ihn durch den Spalt, weitere Trümmer folgten. »Ausgschamter Haderlump! Wie willst du allein gegen diesen Teufel kämpfen? Er wird dich aufschlitzen, bevor du auch nur ein Ave-Maria sprichst! Siehst du denn nicht, dass du genau das machst, was er will?«
Doch von jenseits der Mauer kam keine Antwort. PhilippTeuber seufzte. Einen Augenblick lang zögerte er noch, dann begann er über den Misthaufen zu klettern.
»Du glaubst doch nicht, dass ich wegen dir das Leben
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