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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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unwillkürlich den Atem anhalten ließ.
    Vor dem Henker erhob sich ein bestimmt drei Schritt hoher Berg aus stinkendem, schleimigem Unrat.
    Jakob Kuisl wich zurück und hielt sich die Hand vor Mund und Nase. Zwischen dem Mist erkannte er die verwesten Kadaver von Hühnern, Katzen und Hunden. Sogarein ganzes Schwein war darunter, aus dessen leeren Augenhöhlen weiße, fette Maden krochen.
    Ganz oben auf dem Mistberg stand Philipp Teuber und grinste ihn an.
    »So sieht man sich wieder, Kuisl«, dröhnte er, die Hände auf die breiten Hüften gestemmt. »So viel Dreck hast du sicher in deinem ganzen Leben nicht gesehen, was?« Der Regensburger Scharfrichter stieg vorsichtig von dem glitschigen Hügel herunter, wobei seine Stiefel bis zu den Knien einsanken. »Ist schon was anderes wie in deinem kleinen bayerischen Dorf.«
    »Bist wohl noch stolz drauf, alter Schinder!« Jakob Kuisl wandte sich angeekelt ab, trotzdem ging ein feines Lächeln über seine Lippen. Mittlerweile hatte er seinen ehemaligen Folterknecht als echten Freund kennengelernt. »Hätt mir doch denken können, dass du mich noch immer nicht in Ruh lässt.«
    Vorsichtig blickte Kuisl sich nach möglichen Verfolgern um. Aus dem Augenwinkel erkannte er nicht weit von ihm entfernt ein paar Männer, die mit fleckigen Tüchern vor dem Mund Dreck von zwei Karren schippten; auch das Frettchen war unter ihnen. Wachsame Augen schienen ihn neugierig zu mustern.
    »Du kannst ihnen vertrauen«, sagte Philipp Teuber. »Wenn dich einer verrät, brech ich ihm sämtliche Knochen und werf ihn wie ein totes Pferd zu den anderen Kadavern auf den Haufen.« Er lächelte. »Und außerdem bist du doch einer von uns. Ein Henker. Ein Ehrloser. Genauso wie die Huren, Bettler, Gaukler und Schinder. Ich find, wir sollten zusammenhalten.«
    Kuisl deutete auf den schmierigen Berg, von dem immer wieder einzelne Brocken zu Boden rutschten. »Was macht ihr denn mit dem ganzen Zeug? Vergraben?«
    Teuberschüttelte den Kopf und deutete hinter sich. »Von hier geht der Dreck in die Donau, jeden Tag ein paar Karrenladungen. Die Stadt bezahlt uns gut dafür.«
    »Uns?«
    Der Regensburger Scharfrichter spuckte lautstark aus. »Ich bin hier nur der, der anschafft. Die eigentliche Arbeit machen der Schinder und die Goldgräber. Sie leeren die Abortgruben und bringen den Unrat dann hierher.«
    Kuisls Blick ging nach unten, wo gelbe, schillernde Jauche über seine Lederstiefel floss.
    Die Goldgräber …
    Das also hatte das Frettchen vorhin gemeint!
    »Echtes Gold«, sagte Philipp Teuber und wies auf den in der aufgehenden Sonne gärenden Misthaufen. »Ich glaub, irgendein römischer Kaiser hat mal gesagt, dass Geld nicht stinkt. Glaub mir, ohne meine Männer würde die Stadt an ihrem eigenen Kot ersticken.«
    »Wie hast du mich gefunden?«, fragte Kuisl abrupt.
    »Nachdem du von der Dicken Thea geflohen warst, haben sie mir im Rathaus die Hölle heißgemacht«, murmelte Teuber. »Ich glaub, die hohen Herren wissen, dass ich dir aus dem Kerker geholfen hab, aber beweisen können sie mir nichts.« Er klopfte Kuisl auf die linke, verbundene Schulter. »Wieder verheilt, was? Ich sag’s ja, meine Mittel …«
    »Sei stad, neunmalkluger Kurpfuscher«, unterbrach ihn Kuisl. »Erzähl lieber weiter.«
    Der Scharfrichter fing eine der vielen summenden Schmeißfliegen und zerdrückte sie zwischen seinen Fingern. »Dass du im Bischofshof untergekrochen bist, weiß die ganze Stadt«, sagte er schließlich. »Mir war klar, dass du irgendwann da raus musstest. Also hab ich meine Goldgräber gebeten, dort rumzustreichen und die Augen offen zu halten. Die sehen mehr als jeder Soldat und werdenselbst nicht gesehen.« Er wischte sich Schweiß und Schmutz von der Stirn. »Aber das bringt dir jetzt auch nichts mehr. Du musst weg von hier, und zwar schnell.«
    »Eins hab ich vorher noch zu erledigen«, knurrte Kuisl.
    »Ich kann mir vorstellen, was das ist. Deshalb hab ich dich auch kommen lassen.« Philipp Teuber sah Kuisl fest in die Augen, bevor er langsam weitersprach. »Ich weiß jetzt, wer der dritte Fragherr ist. Die Dicke Thea hat’s mir erzählt.«
    Kuisls Blick glitt gedankenverloren über die Stadtmauer, als ob er dahinter irgendetwas wittern würde.
    »Ich glaub, seit heute Nacht weiß ich’s auch. Wenn es der ist, von dem ich’s vermute. Aber eigentlich ist es nicht möglich …« Er stockte kurz. »Er hat mir einen Brief geschickt. Der Brief von einem Toten.«
    »Weidenfeld?«, fragte Teuber

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