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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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würde er sein Ziel erreicht haben.
    Etwa in der Mitte sah Simon schließlich die hölzerne Rampe, die zur größeren, der oberen Wöhrd-Insel hinunterführte. Ein kleines Brückenhäuschen mit einem Glockenturm stand am Eingang der Rampe; mit verschlafenen, kleinen Augen lehnte ein Stadtknecht auf seiner Bank und ließ sich die ersten Sonnenstrahlen ins Gesicht scheinen.
    Simonzügelte seine Schritte, um sich nicht verdächtig zu machen.
    »Was hast du unten auf dem Wöhrd verloren?«, fragte ihn die Wache unwirsch. »Wie ein Müller oder Schreiner siehst du nicht grad aus.« Der bärtige Büttel kniff unter seinem Helm die Augen zusammen und musterte sein Gegenüber. »Eher wie ein Schreiberling.«
    Simon nickte. »Bin ich auch.« Betont beiläufig zog er die zerfledderte Seite hervor, die er in der Küche des Braumeisters aus dem Herbarium gerissen hatte. Im Schatten des Torturms war darauf nichts weiter als Gekrakel zu erkennen. Simon hielt den Atem an und betete, dass die Wache auf den billigen Trick hereinfiel. »Der Wöhrd-Müller hat zu wenig Steuern bezahlt. Ich bring die Nachforderung der Stadt.«
    »Zeig her.« Der Büttel riss Simon den Zettel aus der Hand und fing an, ihn aufmerksam zu studieren.
    Mein Gott, gleich ruft er die Wachen! , dachte Simon. Sie werden mich einsperren, und dann wird es zu spät sein! Ganz Regensburg wird …
    »In Ordnung. Kannst passieren.« Der Büttel reichte ihm mit wichtigtuerischer Miene das Papier zurück. »Scheint in Ordnung zu sein.«
    Simon neigte demütig den Kopf und unterdrückte ein Grinsen. Der Mann konnte offenbar nicht lesen! Nicht einmal die Zeichnungen auf der Rückseite hatten ihn gestört. Unter mehrmaligem Verbeugen verabschiedete sich der Medicus von dem grimmigen Wächter und stieg die Rampe hinunter. Erst nach einigen Metern wagte er, wieder aufrecht zu gehen.
    Mit einem Mal fiel ihm das Poltern und Stampfen auf, das von der Insel zu ihm herüberwehte. Nicht weit von ihm entfernt drehten sich Mühlräder im Flusswasser, sie hieltenim Inneren einiger Häuser und Schuppen gewaltige Hämmer und Mühlsteine in Bewegung. Ratternde Sägewerke reihten sich an klappernde Getreide-, Walk- und Papiermühlen. Die ganze Insel schien ein einziges rumpelndes Wesen zu sein. Fast glaubte Simon, ein Vibrieren unter seinen Füßen zu spüren.
    Die Mühle …
    Er war fast am Ziel. Nun konnte er nur hoffen, das er mit seiner Vermutung recht hatte.
    Simon brauchte einige Zeit, um sich bei Tageslicht auf der mit niedrigen Büschen bewachsenen Insel zurechtzufinden, doch schließlich erkannte er das große Holzhaus mit dem spitzen Giebeldach, zu dem ihn Nathan in jener Nacht geführt hatte. Seine Schritte wurden langsamer. Noch immer wusste er nicht, was ihn dort drinnen erwartete. Ob die Mühle bewacht wurde?
    Spontan beschloss er, den Eingang zu meiden und stattdessen zunächst einen Blick durch eines der Fenster zu wagen. Mühsam kletterte er auf einen Holzstapel, der an der Hauswand lehnte, bis er schließlich einen vernagelten Fensterladen erreichte. Simon bog eine Latte zur Seite und starrte in das dämmrige Innere der Mühle.
    Viel war nicht zu erkennen. Wie bei seinem letzten Besuch lagerten überall Getreide- und Mehlsäcke. Im Hintergrund drehte sich ächzend ein gewaltiger Mühlstein, der durch ein Wasserrad an der uferzugewandten Seite des Hauses angetrieben wurde. Simon wollte sich schon wieder abwenden, als ihm ein besonders großer Sack auffiel, der offensichtlich von einem Haufen heruntergefallen war und nun verloren in der Mitte des großen Raums lag.
    Der Sack bewegte sich.
    Simon blinzelte und sah noch einmal hin. Tatsächlich! Der große Beutel zuckte und zappelte. Jetzt erst erkannte derMedicus, dass es sich nicht um einen Sack, sondern um einen Menschen handelte, der zu einem festen Bündel verschnürt worden war. Als sich die Person zur Seite warf, konnte Simon ihr Gesicht erkennen. Nur mühsam unterdrückte er einen Schrei.
    Dort unten lag Magdalena.
    Ihr Haar war nass und zerzaust, das Gesicht blass, die Henkerstochter schien am ganzen Körper zu zittern. Trotzdem glühte in ihren Augen ein zorniges Funkeln, das Simon an die Augen eines gefangenen Luchses erinnerte.
    Nur Sekunden später lösten sich aus den Schatten im Innern der Mühle einige Gestalten. Zwei von ihnen waren vierschrötige Gesellen mit breiten Schultern und dem stieren Blick von Männern, die es gewohnt waren, Befehle auszuführen. Simon glaubte, mindestens einen von ihnen schon

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