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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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waren, oder vielleicht zum Haus Heuport. Was aber hatte der Venezianer dort draußen mit dem vergifteten Mehl vor?
    »Eine ehrenwerte Aufgabe, die Ihr da habt, Wachtmeister«, meldete sich Silvio Contarini, jetzt mit weitaus höflicherer Stimme. »Aber bei mir ist das wirklich nicht nötig. Meine Männer haben die Säcke selbst aufgeladen. Oder glaubt Ihr vielleicht, der venezianische Gesandte bietet einem Mörder Unterschlupf?«
    Er lachte leise, wieder ertönte das Klimpern von Münzen.
    »Ich … ich … habe Euch nicht erkannt«, keuchte die Wache. »Verzeiht, Euer Eminenz. Aber das hier ist ein einfacher Wagen, und Ihr …«
    »EineFahrt aufs Land, unerkannt zu meinen Gütern. Will sehen, was die Bediensteten so treiben. Und jetzt lasst uns bitte durch.«
    »Na… natürlich, Euer Durchlaucht. Und einen schönen Tag noch!«
    Der Wagen setzte sich wieder in Bewegung, während Magdalena gedämpft durch ihren Knebel fluchte. Ihre letzte Chance war dahin! Schon bald würde Silvio ihr das Mutterkorn einflößen. Was erwartete sie dann? Magdalena dachte an Resl, die Magd des Schongauer Bäckers Berchtholdt, die mit schwarz verfärbten Gliedmaßen in ihren eigenen Alpträumen gefangen gewesen war, kreischend und heulend, bis sie der Herrgott endlich erlöst hatte.
    Würde das auch ihr Schicksal sein?
    Als der Karren nach etwa einer Viertelstunde das nächste Mal anhielt, stiegen die Flößer leise flüsternd ab. Offenbar hatten sie ihr Ziel erreicht. Mehlsäcke wurden hektisch abgeladen und mit schnellen Schritten irgendwo hingebracht. Geblendet von der Sonne kniff Magdalena die Augen zusammen und erkannte erst einige Zeit später, dass Silvio Contarini über ihr stand und sie anlächelte.
    »Wenn Ihr mir versprecht, still zu sein, könnte ich mich vielleicht dazu durchringen, Euren Knebel zu entfernen«, sagte er und strich ihr das von Schweiß und Dreck verfilzte Haar aus dem Gesicht. Gezielt pflückte er eine Wanze aus ihren Locken und zerdrückte sie zwischen den Fingern. »Glaubt Ihr, das ist möglich?«
    Magdalena nickte stumm. Als der Venezianer den Knoten in ihrem Nacken gelöst und ihr das Tuch aus dem Mund gezogen hatte, spuckte sie ihm direkt ins Gesicht.
    »Mörder, verdammter! Du hast Simon auf dem Gewissen! Dafür schmorst du tausend Jahre in der Hölle. Ich reiß dir dein mickriges Gemächt aus, ich … mmmmhhhh!«
    Silviohatte ihr den Knebel wieder in den Mund geschoben. »So haben wir nicht gewettet«, flüsterte er. »Also noch einmal, seid Ihr jetzt still?«
    Tränen der Wut sickerten aus Magdalenas Augen, doch sie nickte ein zweites Mal. Als Silvio erneut das schmutzige Tuch entfernte, blieb sie ruhig.
    »Bringt dieses störrische Weibsbild nach unten!«, befahl Silvio. Einer der Flößer warf sich Magdalena wie einen weiteren Mehlsack über die Schulter und stieg mit ihr schnaufend vom Karren.
    Auf den Kopf gestellt erkannte die Henkerstochter, dass der Wagen unweit einer breiten Straße angehalten hatte, die sich durch Felder und Wiesen schlängelte; die Mauern Regensburgs lagen weniger als eine halbe Meile hinter ihnen. Ganz in der Nähe ragte ein Hügel aus den Getreidefeldern, auf dem ein merkwürdiges dreibeiniges Gerüst angebracht war, leblose Körper schaukelten im Sommerwind leicht hin und her. Trotz der Wärme begann Magdalena zu frösteln.
    Mein Gott, der Regensburger Galgenberg! Was haben diese Wahnsinnigen mit mir vor?
    Doch plötzlich schlug der Flößer eine andere Richtung ein. Über einen kleinen Feldweg marschierte er auf eine steinerne Treppe zu, die zwischen Büschen, rotem Mohn und gelbem Ginster in die Tiefe führte. Unten wartete bereits Silvio Contarini. Er hatte eine schwere Eisentüre geöffnet und machte eine leichte Verbeugung, als Magdalena auf dem Rücken des Flößers in eine dunkle Kammer getragen wurde.
    »Nach Euch, bella donna «, säuselte er. »Fühlt Euch wie zu Hause. Euer Heim für die nächsten Tage und Wochen ist vielleicht ein wenig feucht, aber was tut man nicht alles für die Wissenschaft!«
    Siestanden in einem unterirdischen, aus groben Steinklötzen erbauten Raum, der von beständigem Plätschern erfüllt war. Unsanft setzte der breitgebaute Flößer Magdalena auf einer Steinbank ab und entzündete eine Fackel. Erst jetzt konnte sie erkennen, dass das Plätschern von einem kleinen Wasserfall herrührte, der aus der Wand entsprang und sich in kleinen Kaskaden in ein Becken im hinteren Teil der Kammer ergoss. Steinerne Tafeln waren an den Wänden

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