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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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bist gefesselt.«
    Er beugte sich zu Simon hinunter. »Ich mach dir einen Vorschlag.Ich bind dich los und erzähl dir, wo Silvio mit deiner Liebsten hin ist. Aber dafür schaust du dir nachher, wenn alles vorüber ist, meine Zähne an. Sie sollen wieder genauso aussehen wie zuvor. Versprochen?«
    »Ich schleif dir höchstpersönlich ein funkelnagelneues Gebiss, wenn’s sein muss«, knurrte Simon. »Und jetzt schneid endlich die verfluchten Fesseln durch.«
    Magdalena hörte die Explosion in dem Augenblick, als das Fuhrwerk über das Pflaster der Steinernen Brücke rumpelte. Gefesselt und geknebelt lag sie eingezwängt zwischen den Säcken in der Mitte des Wagens und zuckte bei dem lauten Knall zusammen. Etwas in ihr schien zu zerbrechen.
    O Gott, Simon!, dachte sie. Das darf nicht sein! Nicht mein Simon, nicht nach all dem, was wir gemeinsam durchgemacht haben!
    Bis zuletzt hatte sie auf ein Wunder gehofft, sie hatte zu allen vierzehn Notheiligen gebetet, dass die Mühle nicht explodieren würde, doch das Wunder war nicht eingetreten. Das Gebäude war in die Luft geflogen, und mit ihm ihr geliebter Simon, mit dem sie nach Regensburg gegangen war, um dort gemeinsam alt zu werden.
    Warum in Gottes Namen sind wir nur von zu Hause weggegangen!
    Tränen rannen ihr übers Gesicht und vermischten sich mit Schweiß, Mehl und Kleie, während um sie herum Geschrei ertönte. Sie hörte die schnellen Schritte vieler Menschen, die auf die Brückenbrüstung zueilten, um das knisternde, hell leuchtende Schauspiel zu begaffen. Stimmengewirr drang durch die vielen Säcke zu ihr hindurch.
    »Das ist die große Getreidemühle vom Wöhrd!«, hörte Magdalena jemanden sagen. »Da ist bestimmt das Mehl indie Luft geflogen. Mein Großvater hat auch mal von so einem Brand erzählt …«
    »Wahrscheinlich hat der Müller wieder gesoffen …«
    »Geraucht hat er! Dieses neue Teufelszeug! Hat sich ein Pfeifchen angesteckt und ist mit Haus und Korn zum Himmel aufgefahren …«
    »Zur Seite, Leute! Eine Ladung fürs Rathaus, macht doch endlich Platz!«
    Die letzte Stimme gehörte Silvio Contarini, der mit Schreien und Peitschenknallen versuchte, sich zwischen den vielen Menschen Platz zu verschaffen. Den Wächter unten an der Rampe hatte er mit ein paar Münzen bestochen, Magdalena hatte das Klimpern ganz deutlich gehört. Hier oben auf der Brücke fiel der große Wagen angesichts der Katastrophe nicht mehr weiter auf, zu sehr waren die Leute mit Gaffen und Tratschen beschäftigt.
    Auch am Brückentor hinein in die Stadt wurde der Wagen nicht aufgehalten. Er rumpelte durch die Straßen und Gassen, gelegentlich vernahm Magdalena marschierende Schritte, vermutlich von Wachen der einzelnen Viertel, die zum Löschen Richtung Wöhrd eilten; irgendwo läuteten Glocken. Für den schwer beladenen Karren, auf dem neben Silvio Contarini auch noch die fünf Flößer saßen, schien sich keiner zu interessieren. Gelegentlich spürte Magdalena eine Hand vor dem Mund, offenbar überprüfte einer der Männer, ob sie noch atmete. Dabei ließ er es sich dann nicht nehmen, ihre Brüste und Beine abzutasten oder die Fesseln noch ein wenig enger zu schnüren.
    Endlich hielt das Fuhrwerk an. Magdalena versuchte anhand der Geräusche zu erahnen, wo sie waren. Doch außer fernem Gemurmel und hellen Glockenschlägen war nichts weiter zu hören. Ihr ganzer Körper juckte, Ungeziefer kroch durch ihre Haare, doch sie konnte sich nicht das kleinstebisschen bewegen. Wie ein lebender Getreidesack lag sie zwischen dem gemahlenen Mutterkorn und atmete Staub und Mehl ein.
    »Haaalt! Auf Geheiß der Stadt runter vom Wagen!«
    Es war die Stimme eines offenbar befehlsgewohnten Torwächters. Magdalena hielt den Atem an. War das die Rettung? Vielleicht hatte sich ja irgendeiner der Flößer verplaudert, und nun suchte die ganze Stadt das Gift!
    »Was soll das?«, fragte Silvio Contarini ungehalten. »Seht Ihr nicht, dass wir in Eile sind? Gebt das Tor frei!«
    »Es tut mir leid, aber wir müssen jeden einzelnen Wagen durchsuchen, der die Stadt verlassen will«, ertönte wieder die Stimme des Wachmanns. »Das Regensburger Monstrum ist ausgebrochen, der Doppelmörder vom Weißgerbergraben. Wir müssen sichergehen, dass er nicht aus der Stadt flieht.«
    Magdalena ballte die Hände zu harten Fäusten. Wenigstens war ihr Vater noch nicht gefasst! Doch warum wollte Silvio mit dem Fuhrwerk wieder aus der Stadt hinaus? Die Henkerstochter hatte angenommen, dass sie zum Rathaus unterwegs

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